Grüner Strom 2008: „Grünstrom ist in, das Geschäft mit Strom aus regenerativen Energiequellen boomt. Doch genau wie beim ökologischen Landbau gibt es keine einheitliche Orientierung für den Kunden, sondern zahlreiche konkurrierende Markenzeichen. Diese werden unter anderem von Grüner Strom, OK-Power, vom TÜV oder auch von RECS ausgestellt. RECS, das heißt: Renewable Energy Certification System.“1
Dazu äußert Christof Timpe vom Öko-Institut in Freiburg: „Wir haben das Problem im Ökostrom-Markt, dass der Begriff Ökostrom in keiner Weise allgemein definiert ist. Das heißt, jeder Anbieter oder jeder Gütezeichengeber oder Gütesiegelgeber kann sich das selber definieren, und das heißt, leider muss der Kunde dann etwas genauer hinschauen und sich überlegen, welche Kriterien stecken dahinter?“1
RECS-Zertifikate. „Vor allem dort, wo grüner Strom besonders billig ist, billiger teilweise als sogenannter grauer Strom aus Atom-, oder Kohlekraftwerken, sind RECS-Zertifikate im Spiel. Das gilt für Tochterunternehmen großer Energieversorger wie Vattenfall oder E.ON, für zahlreiche Stadtwerke, aber auch dort, wo große Unternehmen höhere Kosten scheuen und trotzdem mit grünem Image punkten wollen.“1
Auch 2018: Endloser Ausbau – kein Sparen. Das deutsche Klimaziel 2020 wird schon jetzt erkennbar verfehlt, ebenso das für die Jahre danach. Und so will die Große Koalition nicht nur Elektroautos, sondern auch den Ökostrom-Anteil fördern. „Wie das konkret gehen soll, dazu findet sich im Koalitionsvertrag nur eine Vorgabe: Sonderausschreibungen für den Ökostrom-Ausbau. Solche Ausschreibungen gibt es schon jetzt: Wer einen Wind- oder Solarpark bauen will, kann hier Gebote abgeben; den Zuschlag erhalten jene Projekte, die mit der geringsten Förderung auskommen. Die Sonderausschreibungen sollten den Ausbau von Wind- und Solarenergie noch einmal kräftig ankurbeln und so ‚acht bis zehn Millionen Tonnen CO2 zum Klimaschutzziel 2020 beitragen‘.“2
Dadurch sollen jeweils zusätzlich vier Gigawatt Windparks und Solarparks entstehen sowie ein nicht spezifizierter Beitrag durch Offshore-Windanlagen. Das steht zwar im Koalitionsvertrag, aber nicht im entsprechenden Gesetzentwurf. „Hintergrund der Lücke im Gesetz sind offenbar Vorbehalte in der Union, was das Tempo des Ökostrom-Ausbaus angeht. ‚Die Energiewende-Blockierer in der Großen Koalition haben sich durchgesetzt‘, unkt schon Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer…“2
Interessanterweise wird jeder bloße Zubau hochgejubelt: Vom sinnvollen und sparsamen Umgang mit dem wertvollen Ökostrom, der durchaus auch seinen ökologischen Preis hat, ist schon lang keine Rede mehr.
Der deutsche Strommix und der CO2-Ausstoß. Christopher Schrader in Spektrum der Wissenschaft: „Wer annimmt, dass Elektroautos keine Emissionen produzieren, macht fast immer den gleichen Denkfehler: Er nimmt an, das Gefährt werde exklusiv mit Strom aus erneuerbaren Quellen betankt. Elektrizität im Netz lässt sich aber nicht nach Farben in grünen Ökostrom und braunen Kohlestrom sortieren, durch die Leitungen fließt immer eine Mischung. Im Mittel sind laut Umweltbundesamt 2016 für jede Kilowattstunde Strom 527 Gramm CO2 ausgestoßen worden. Das Elektroauto Ioniq von Hyundai hat damit nach offiziellen Angaben eigentlich eine rechnerische Emission von 50 Gramm pro Kilometer, ein Opel Ampera-e 76 Gramm, ein Citroën Berlingo Electric 93, ein Ford Focus zum Aufladen 81, und ein Model S von Tesla kommt auf bis zu 125 Gramm CO2 pro Kilometer (mangels guter Daten zum Strombedarf im realen Verkehr muss diese Rechnung zunächst mit den offiziellen Verbrauchswerten auskommen).“3
Der „echte“ Öko-Strom. Nun kann jeder, der ein Dach hat, darauf natürlich eine Photovoltaik-Anlage installieren und sein Elektroauto aufladen. Dann kann man diesen Strom allerdings nicht mehr für die Waschmaschine, den Computer oder andere Stromverbraucher verwenden.
Und der von den Energieversorgern angebotene Ökostrom hat auch seine Tücken: „Diese Elektrizität stammt oft aus konventionellen Kraftwerken und wird mit Zertifikaten etwa aus Norwegen umdeklariert. So oder so trägt sie bereits zum Strommix bei: Würde man die klimaschonende Eigenschaft exklusiv dem Auto zurechnen, verschlechterte sich die Bilanz für andere Anwendungen entsprechend – ein Nullsummenspiel.“4
CO2-Bilanz beim Ökostrom. „Auch bei der Erzeugung von Windstrom an Land werden laut Umweltbundesamt neun Gramm CO2 pro Kilowattstunde frei, bei Fotovoltaikanlagen sind es 55 Gramm. Das sind wiederum rechnerische Emissionen – auch die Solarzellen und ihre Ständer, die Flügel und Masten der Windräder müssen schließlich hergestellt, transportiert, aufgestellt und angeschlossen werden.“3
Trotzdem gehen Elektroautos als „Zero Emission“ durch: damit die Autoindustrie ihre fossilen Boliden dank der „Super-Credits“ nach wie vor in den Markt drücken kann.
Noch mehr Ökostrom. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sah bis jetzt für das Jahr 2035 einen Anteil von 55 bis 60 Prozent Ökostrom vor. Anfang Oktober 2018 beschloss der Koalitionsausschuss, schon bis 2030 einen Ökostrom-Anteil von 65 Prozent festzulegen.5
- Grumbach, Detlef, Etikettenschwindel bei grünem Strom? in deutschlandfunk.de 8.2.2008 [↩] [↩] [↩]
- Berlin streitet über Ökostrom-Ausbau, in SZ 27.4.2018 [↩] [↩]
- Schrader, Christopher, Die Ökobilanz der E-Mobilität, in Spektrum der Wissenschaft 5.2018 [↩] [↩]
- Schrader, Christopher, Die Ökobilanz der E-Mobilität, in Spektrum der Wissenschaft 5.2018Hervorhebung WZ [↩]
- Mehr Ökostrom, in SZ 4.10.2018 [↩]