Aktualisiert 18.4.2020
Norwegen kappt Förderung der E-Autos wegen Erfolgs. Die Förderung von Elektroautos war wohl zu erfolgreich: Sie wird jetzt sukzessive reduziert. Geplant war, dass 50.000 Käufer von Elektroautos gefördert wurden: Nun ist diese Zahl drei Jahre früher als vorgesehen erreicht worden. Fast 25 Prozent der norwegischen Neuzulassungen sind inzwischen Elektroautos. „Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil bei 0,3 Prozent. Bei knapp fünf Millionen Einwohnern liegt Norwegen somit an der Spitze weltweit. Bislang profitierten die Skandinavier von großzügigen Vorteilen: Besitzer von E-Mobilen sind in Norwegen von der Kfz-Steuer befreit. Ab Januar 2018 sollen sie wieder 50 Prozent zahlen, ab 2020 dann wieder den gleichen Satz wie alle. Derzeit liegt er bei umgerechnet rund 430 Euro für Diesel-Pkw unter 7,5 Tonnen. Auch die Befreiung von der Mehrwertsteuer beim Kauf eines E-Autos soll laut Beschluss der Regierung wegfallen.“1
Die großzügige Förderung der Elektroautos seit 2012 hat Norwegen Millionen an Steuereinnahmen gekostet. „Die Summe wird allein für das vergangene Jahr auf drei bis vier Milliarden Kronen (rund 355 bis 470 Millionen Euro) geschätzt. Zudem wurden die Vergünstigungen offenbar von Leuten in Anspruch genommen, die ohnehin wohlhabend sind. So ist eines der meistverkauften Elektroautos die Luxussportlimousine Tesla Model S.“1
Norwegische Kaufanreize. Staatliche Zuschüsse fördern den Absatz von Elektroautos und Hybridautos, das hat sich in Norwegen gezeigt. „Wer dort ein neues Auto kauft, zahlt eine einmalige Registrierungssteuer, die unter anderem vom Gewicht und dem CO2-Ausstoß des Wagens abhängig ist. Durchschnittlich fallen dafür umgerechnet knapp 11.000 Euro an. Beim E-Auto entfallen diese Kosten. Auch die Mehrwertsteuer wird beim Kauf eines Stromers nicht erhoben. Hinzu kommen weitere Privilegien wie der Wegfall von Parkgebühren oder Maut und eine Freigabe des Fahrzeugs für Busspuren. All diese Vergünstigungen haben dazu geführt, dass der Marktanteil der Elektroautos in Norwegen 2015 auf 17,1 Prozent gestiegen ist.“2
Zuviel Erfolg: Norwegen zieht den Stecker (1). Durch die üppige Förderung wuchs die Zahl der Elektroautos in Norwegen mit der Folge, dass Ladestationen knapp werden. „Der Verband für E-Auto-Fahrer, Norsk Elbilforening, rät den Hauptstädtern sogar davon ab, sich ein E-Auto anzuschaffen, sofern sie keinen eigenen Ladeplatz daheim oder am Arbeitsplatz haben. (…) Es ist nicht das erste Mal, dass Oslo Probleme bekommt mit der Elektroauto-Revolution. Die norwegische Regierung fördert E-Autos massiv, erlässt Mehrwert- und Registrierungssteuer, sodass die Autos oft mehrere Tausend Euro billiger sind als vergleichbare Modelle mit Benzin- oder Dieselmotor.“2
Norwegen elektrisch. 2015 wurden in Norwegen „nur“ 35.000 Elektroautos gekauft – rund ein Viertel aller Neuzulassungen. Die Privilegierung des Elektroautos in Norwegen ist hoch. Es fallen keine Mehrwert- und Abgassteuer an, das macht ca. 20.000 Euro Ersparnis im Durchschnitt. Diese Subvention kostete de Staat 2014 und 2015 eine Milliarde Euro. Dazu kommen Benutzung von Busspuren, kostenloses Parken, kostenlose Nutzung der Fjord-Fähren, kostenloses Laden mit Strom an mehr als 4000 öffentlichen Ladestationen, kostenlose Benutzung der zahlreichen mautpflichtigen Straßen. „Trotz all dieser Privilegien haben 77 Prozent der norwegischen Neuwagenkäufer im vergangenen Jahr ein Modell mit Benzin- oder Dieselmotor gewählt. Ähnlich ernüchternde Erfahrungen gab es in allen Ländern, die in den vergangenen Jahren versucht haben, den Absatz von Elektroautos zu forcieren. (…) Obwohl die Elektroflotte dort zum Großteil aus schweren Luxuslimousinen besteht – der mindestens 80.000 Euro teure und über zwei Tonnen schwere Tesla S lag in den vergangenen beiden Jahren auf Platz zwei der Verkaufsstatistik –, sank der durchschnittliche CO₂-Ausstoß aller Neuwagen in Norwegen schon im Jahr 2014 auf 93 Gramm pro Kilometer. Das sind 34 Gramm weniger als im EU-Durchschnitt. Denn Norwegen speist sein Stromnetz zu fast 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus Wasserkraftwerken. In allen anderen Ländern bewirken die massiven staatlichen Elektroauto-Kampagnen bisher keinen wirklichen Umweltvorteil. Den gibt es nur in Sonntagsreden, die sehr weit in die Zukunft einer erneuerbaren Stromversorgung blicken.“3
Klimaziele in Norwegen. Ursprünglich sollten fossil betriebene Pkw ganz verboten werden. Nun beschloss das norwegische Parlament, dass bis 2025 nur noch zu 100 Prozent Elektroautos und Plug-in-Hybride sowie Wasserstoffautos gekauft werden sollen, damit die Klimaziele erreicht werden können. Für Lkws gilt, dass diese ab 2030 emissionsfrei sein sollen.4
Der Preis des Erfolgs. In Norwegen entfällt die Mehrwertsteuer auf Elektroautos, dazu die Registrierungssteuer von etwa 11.000 Euro. Somit wird ein Elektroauto billiger als Benzin- oder Diesel-Pkw. „Deswegen ist bereits heute fast jedes fünfte Auto, das die Norweger kaufen, ein Elektroauto. Eigentlich wollte die Regierung diese so lange fördern, bis 50 000 E-Mobile registriert sind. Nun fahren in Norwegen bereits mehr als 90.000, zehnmal so viele wie vor vier Jahren. Zählt man die Steckdosenhybride dazu, sind es sogar fast 120.000. Ein großer Erfolg, aber auch eine große Einnahmelücke für die Regierung. Die Steuervorteile für E-Autos sollten deswegen 2018 reformiert werden.“4
Elektroautos schädigen den Öffentlichen Verkehr. In Norwegen ergab sich durch den Kauf eines Elektroautos eine Verlagerung vom Öffentlichen Verkehr zum individuellen Autoverkehr. Im Jahr 2015 nutzten vor dem Kauf eines Elektroautos 65 Prozent einen Pkw und 23 Prozent den ÖPNV; nach dem Kauf stieg die Pkw-Nutzung auf 83 Prozent, die Nutzung des ÖPNV fiel auf 4 Prozent. Der Rückgang betrug 82 Prozent.5
Ladehemmung. „Etwa 124 .000 Elektroautos und knapp 55. 000 aufladbare Hybride fahren laut Verband schon durch Norwegen. Mehr als jedes dritte Auto, das die Norweger heute kaufen, braucht eine Steckdose. Bis 2025 soll dieser Anteil bei hundert Prozent liegen, lautet das politische Ziel. Der E-Auto-Verein wünscht sich einen öffentlichen Ladeplatz für jeden zehnten Wagen, das entspräche schon heute 17.900 Stationen. Tatsächlich gibt es nur 7300 normale Ladepunkte. Selbst Deutschland hat mit 10.700 öffentlichen Stationen mehr. Dabei fahren hier erst 55.000 Wagen mit Elektro- oder Plug-in-Hybrid-Antrieb.“6
Die Benutzung der Busspuren verstopft die Busspuren! In Oslo durften Elektroautos nicht nur kostenlos parken und laden, sondern auch noch die öffentlichen Busspuren benutzen. „Irgendwann durften das so viele, dass sie sich in der Stoßzeit dort stauten. Inzwischen müssen selbst in emissionsfreien Wagen zu bestimmten Zeiten mindestens zwei Personen sitzen, damit ihnen die Busspur offen steht. Die ersten findigen E-Auto-Fahrer haben versucht mit Dummies auf dem Beifahrersitz zu tricksen.“6 – „‚Also einer von drei verkauften Neuwagen in Norwegen ist elektrisch‘, sagt Petter Haugneland, Sprecher der Elektrowagenvereinigung ‚Elbilforening‘. In der Hauptstadt Oslo seien es sogar 40 Prozent. Eigentlich könnte Elbilforening mit dieser Entwicklung zufrieden sein – wäre da nicht das Problem mit den Ladesäulen.“7
Norwegen zieht den Stecker (2). Oslo hat die Elektromobilität gefördert, ohne gleichzeitig die Lade-Infrastruktur auszubauen. Norsk Elbilforening, der Verband der Elektroauto-Nutzer, hatte schon 2016 vor Engpässen gewarnt (siehe oben) und jetzt wieder 2017. „Doch jetzt ist es schon so weit gekommen, dass Elbilforening auf die Bremse tritt: Haugneland rät Autofahrer in Oslo davon ab, sich ein strombetriebenes Fahrzeug anzuschaffen – wenn sie nicht die Möglichkeit haben, es zu Hause zu laden.“ ((Elektrovereinigung rät von Elektroautos ab, in spiegel.de 18.9.2017)) Der Erfolg der Elektroautos liegt in ihrer Förderung. Ein E-Golf kostet in Norwegen umgerechnet 27.000 Euro, ein Benzin-Golf rund 32.000 Euro. „Außerdem kann man in vielen Kommunen kostenlos parken, laden und zahlt keine Mautgebühren. Diese Förderung kostet den Staat eine Menge Geld. Dennoch hat das Parlament entschieden, dass bis 2020 erst einmal nicht daran gerüttelt werden soll. Ein Grund dafür ist die ehrgeizige Verpflichtung, dass bis 2025 alle neu zugelassenen Autos in Norwegen Nullemissionsfahrzeuge sein sollen.“7
Norwegen fährt zurück. Die Busspuren dürfen nicht mehr von Elektroautos benutzt werden, wenn nur der Fahrer drin sitzt: es sind einfach zu viele davon unterwegs. Die Busspuren dürfen nur noch mit einem Beifahrer benutzt werden. Norwegen hat inzwischen eine Quote von 46 Prozent Elektroautos: Im 1. Halbjahr wurden 35.788 zugelassen. „Allerdings: Wer denkt, die Norweger wären über die Maße besorgt um reine Luft und würden nur deshalb Elektroautos kaufen, irrt. Der finanzielle Zuschuss vom Staat in Form von Steuererleichterungen dürfte eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Wenn ein Elektro-Golf in der Anschaffung nicht mehr kostet als ein normaler Golf oder ein Tesla Model S nur so viel wie ein Opel Insignia, fällt die Wahl natürlich leicht. Zumal Strom buchstäblich im Überfluss vorhanden ist. Er wird in Norwegen fast ausschließlich über Wasserkraft gewonnen.“8
Jeder zweite Neuwagen elektrisch. Laut einer Studie des CAM-Institutes in Bergisch Gladbach ist Norwegen in Europa mit 73.000 verkauften Elektroautos im Jahr 2018 der größte Absatzmarkt, gefolgt von Deutschland (68.000), Großbritannien (60.000) und Frankreich (46.000).9
Norwegisches Glück für Autokonzerne. Ab 1.1.2019 werden in Nicht-EU-Ländern zugelassene Autos in die CO2-Bilanz der EU eingerechnet. Vor allem bei Zulassungen in Norwegen – mit fast einem Drittel Elektroautos im Jahr 2018 – profitieren die europäischen Autokonzerne. Autoexpertin Julia Poliscanova von der Organisation Transport & Environment (T&E): Wir halten das für problematisch, da es die Grenzwerte eher abschwächt.“10 Die CO2-Aufnahme-Regelung für Norwegen wurde schon 2009 geplant. In 2018 wurden in Norwegen rund 150.000 Autos zugelassen – mit einem CO2-Durchschnitt von 71 g pro Kilometer. Im Jahr 2018 verkaufte z. B. BMW rund 6000 i3 nach Norwegen: Das könnte die europaweite CO2-Bilanz von BMW um ein Gramm entlasten. „Besonders attraktiv aus Sicht der Industrie: Die in Norwegen beliebten Elektroautos werden nicht nur mit null Gramm angerechnet, sondern zählen in der EU-Wertung zunächst doppelt. Für die Hersteller sind auch kleine Mengen eingespartes – oder weggerechnetes – CO2 wertvoll. Für jedes Gramm, um das ein Hersteller seinen individuell festgesetzten Flottengrenzwert übersteigt, wird eine Strafe von 95 Euro fällig – pro Auto. Schafft Volkswagen statt der vorgegebenen knapp 98 Gramm nur 99, kostet das den Konzern eine Strafe in Höhe von etwa 380 Millionen Euro.“10
Tesla in Norwegen. Laut Bloomberg hat Tesla im Jahr 2019 bis jetzt mit 40.000 Fahrzeugen 25 Prozent Anteil an den Neuzulassungen. Der Erfolg könnte hier auch ein Desaster werden. „Es gebe keinen Autohersteller, bei dem es pro verkauftem Wagen zu mehr Beschwerden komme, als bei dem amerikanischen Unternehmen – unter anderem bemängelten Kunden Beulen in der Karosserie und Fehler bei der Lackierung. Verbraucherschützer befürchten außerdem wegen der großen Nachfrage des Model 3 einen weiteren Anstieg der Beschwerden.“11
Interview mit Kronprinz Haakon. Im Spiegel wurde ein Gespräch mit dem norwegischen Kronprinzen Haakon geführt. Dieser sprach von einer Quote für Elektroautos in Norwegen von acht Prozent. Norwegen gewinnt zwar 95 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft, ist aber auch einer von Europas größten Exporteuren von Erdöl ud Erdgas. Deshalb stellten die Redakteure die Frage: „Norwegen, das Öl und Gas liefert, selbst jedoch von erneuerbarer Energie lebt – das erinnert uns an einen Drogendealer, der gefährlichen Stoff verkauft und die Erlöse dafür nutzt, sich und seine Familie gesund und fit zu halten.“ – Hakoon: „Ich denke nicht, dass das ein gelungener Vergleich ist.“12
Norwegen global auf Platz drei. In Norwegen wurden 2019 laut ZWS 81.540 Elektroautos neu zugelassen: Das bedeutet weltweit Platz 3. Pro Kopf führt Norwegen: bei nur 5.5 Millionen Einwohnern. Der Anteil von E-Autos bei den Neuzulassungen liegt hier bei 57 Prozent.13
Tesla-Einbruch in Norwegen. Im Februar 2020 wurden in Norwegen 83 Teslas neu zugelassen, wie Bloomberg berichtete. Im Februar 2019, in dem das Model 3 noch nicht voll angelaufen war, waren es 1016; im ganzen Jahr 2019 fast 19.000. Laut Bloomberg zeigt Norwegen Anzeichen einer Marktsättigung.14
Ladeinfrastruktur. „In Norwegen leben nur knapp 20 % der Einwohner in Mehrfamilienhäusern. Die restlichen Einwohner leben in Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften.“15 Dadurch laden letztere ihre Elektroautos meist zuhause. 46 Prozent der Bewohner von Mehrfamilienhäusern laden an öffentlichen Ladepunkten. „Politisches Ziel in Norwegen ist es, entlang aller Hauptverkehrsstraßen alle 50 Kilometer eine Schnellladestation zu errichten. Derzeit gibt es ca. 3350 Schnellladepunkte. In Deutschland wurden bisher rund 1700 Schnellladepunkte errichtet.“15
- Zu erfolgreich – Norwegen kappt Förderung für E-Mobile, in spiegel.de 7.5.2015 [↩] [↩]
- So viel bringt das 5000-Euro-Geschenk wirklich, in spiegel.de 19.1.2016 [↩] [↩]
- Asendorpf, Dirk, Die Milliardenwette, in Die Zeit 18.2.2016 [↩]
- Bigalke, Silke, Große Pläne und Missverständnisse, in SZ 13.9.2016 [↩] [↩]
- Umwelt- und Prognose-Institut e.V., Heidelberg, Ökologische Folgen von Elektroautos – Ist die staatliche Förderung von Elektro-und Hybridautos sinnvoll? Dieter Teufel, Sabine Arnold, Petra Bauer, Thomas Schwarz, UPI-Bericht Nr. 79, August 2015, 2. aktualisierte Auflage August 2017; hier; Kurzfassung hier; Zitat S. 3f [↩]
- Bigalke, Silke, Bitte nicht mehr kaufen! in SZ 19.9.2017 [↩] [↩]
- Elektrovereinigung rät von Elektroautos ab, in spiegel.de 18.9.2017 [↩] [↩]
- Specht, Michael, Stress mit Strom, in spiegel.de 17.8.2018 [↩]
- In Norwegen fährt bereits jeder zweite Neuwagen elektrisch, in spiegel.de 17.1.2019 [↩]
- Sorge, Nils-Viktor, Wie Norwegen die Autoindustrie vor einer Blamage bewahren könnte, in spiegel.de 1.2.2019 [↩] [↩]
- Gross, Louis, Tesla verunsichert die Anleger – mal wieder, in SZ 24.5.2019 [↩]
- Jung, Alexander, Kühn, Alexander, „Ich würde gern komplett nachhaltig leben“, in Der Spiegel 21/18.5.2019 [↩]
- Weltweite Neuzulassungen: Vollbremsung bei Elektro-Wachstum, in spiegel.de 27.2.2020 [↩]
- Rottwilm, Christoph, Tesla: Zulassungen in Norwegen und Niederlanden brechen ein, in manager-magazin.de 3.3.2020 [↩]
- Dena, Prognos, Privates Ladeinfrastrukturpotenzial in Deutschland, Berlin 04/2020, S. 26 [↩] [↩]