Deutsche Autoindustrie: Gewinne mit Spritschluckern. Ab 2021 hat die EU den CO2-Grenzwert auf 95 g pro km heruntergesetzt. Wobei Audi, BMW und Mercedes einen „Gewichtsbonus“ erhalten haben und 100 g CO2 pro Kilometer emittieren dürfen. Die deutsche Autoindustrie verdient ihr Geld mit dicken Limousinen und Geländewagen. Der Anteil der SUVs unter den Neuzulassungen lag Ende 2018 bei fast einem Drittel. Auch die hochmotorisiere M-Reihe von BMW legte zu: „Seit dem Jahr 2010 hat sich der Absatz von BMW M nahezu vervierfacht. Im vergangenen Jahr konnte die Sportwagentochter 81.000 Fahrzeuge verkaufen. (…) Bei BMW rollt schon jeder dritte Wagen als X-Modell vom Band.“1
Die Konsequenz: mehr CO2. Toyota ist einer der wenigen Autohersteller, die einen sparsamen CO2-Wert im Flottendurchschnitt haben. Insgesamt ist die Tendenz: steigend. „2011 lag der Flottenwert über alle Marken hinweg bei 146,01 g/km. Dann ging es auch durch den anhaltenden Diesel-Boom jährlich um rund drei Prozent bergab. Seit 2016 sinkt der Absatz von Ölbrennern – und der Ausstoß von Klimagasen steigt: Im vergangenen Jahr übertraf er mit 127,9 g/km den Wert von 2015. BMW ist in Deutschland nur ein halbes Gramm besser, Audi (131,1 g/km) und Mercedes (133,5 g/km) sehen nach Berechnungen des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach noch schlechter aus.“ [2]
Nun kommen quasi als Belohnung für den hohen Verbrauch der fossilen Boliden die Elektroautos ins Spiel – mit den Super-Credits, aber auch mit finanziellen Staatshilfen. „Im Entwurf des Koalitionsvertrags ist von der Erhöhung der Kaufprämien für E-Mobile die Rede. Das macht die Stromer als Firmenwagen im Kostenvergleich wettbewerbsfähig. Auch beim geldwerten Vorteil, den Dienstwagennutzer versteuern müssen, will die künftige Bundesregierung deutliche Abschläge in Kauf nehmen. (…) Die staatlichen Subventionen retten weniger das Klima als die Bilanzen der Autohersteller – die weiter an Spritschluckern prächtig verdient.“1
Das Ablenkungsmanöver mit Elektroautos. Die Klimaziele sind nur mit dem Elektroauto zu erreichen: Das suggeriert zumindest die deutsche Autoindustrie. „‚Durch die Entscheidung für oder gegen Elektroautos wird der Kunde darüber entscheiden, ob wir unser Klimaziel erreichen‘, sagt Audi-Chef Rupert Stadler treuherzig. Wer’s glaubt. Die Stromer wirken als Feigenblatt – um die Fans mit Sprit im Blut um so ungenierter bedienen zu können. Auch Audi will die Palette der supersportlichen RS-Modelle massiv ausbauen.“1
Hinzu kommt, dass das Elektroauto zumeist ein Zweit- oder gar Drittfahrzeig ist, dass also zusätzliche Fahrzeuge benötigt werden. die in der Herstellung, im Unterhalt und im Fahrbetrieb Energie (und Geld) erfordern.
Laden im Hotel. „8666 Ladestationen mit insgesamt 25.830 Anschlüssen gibt es für die Fahrer von Elektroautos zurzeit in Deutschland. Anfang 2018 kamen etwa 2,13 Elektroautos auf einen Anschluss. (…) Allerdings ist nicht jeder Anschluss öffentlich zugänglich. Auf den Parkplätzen und in den Tiefgaragen von Hotels oder Restaurants befinden sich 9,7 Prozent der gesamten deutschen Ladestationen.“2
Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes bei 700 Hoteliers und Gastronomen haben schon 20 Prozent eine Ladestation und ein Drittel plant, eine zu installieren. Tesla hat im Kölner PhiLeRo-Hotel drei Ladesäulen installiert: Für Tesla-Fahrer ist das Laden umsonst, ansonsten wird eine Pauschale von zehn Euro erhoben. Im Münchner Luxusrestaurant Tantris gibt es einen Chauffeurservice mit einem Tesla; zwei Ladesäulen stehen am Parkplatz.2
Die Zukunft des Diesel. Der Diesel-Skandal von VW und anderen hat auch gezeigt, dass es vor allem die Unwilligkeit und nicht die Unfähigkeit der Autokonzerne ist, technische Lösungen anzubieten. Im Lauf des Jahres 2018 wurden von Peugeot Motoren präsentiert, die unter 20 mg Stickoxid pro Kilometer emittieren. Meine Gespräche mit BMW-Mitarbeitern ergaben, dass durch eine grundlegende Überarbeitung eine Renaissance des Dieselmotors wahrscheinlich ist.
Auch hier liegt Kalifornien vorn. „Auch künftig ist Kalifornien mit seiner neuen LEV-3-Gesetzgebung (LEV = Low Emission Vehicles) weltweit führend. Entwicklungsdienstleister und Zulieferer haben dafür detaillierte Konzepte erarbeitet. Ihr Fazit: Die Stickoxid-Emissionen lassen sich über die Schadstoffnorm Euro 6d hinaus noch einmal um mehr als die Hälfte reduzieren, ohne den Kraftstoffverbrauch zu verschlechtern. (…) ‚Es gibt noch keine Euro-7-Grenzwerte‘, sagt Oliver Maiwald, ‚aber unser Entwicklungsziel für Stickoxide sind 40 Milligramm pro Kilometer, also Euro 6 Halbe, wie wir es nennen‘, sagt der Entwicklungschef des Continental Antriebsbereiches. Zur Erinnerung: Von September 2018 an darf bei den sogenannten Real Driving Emissions (RDE) ein Höchstwert von 168 Milligramm je Kilometer im Straßentest nicht überschritten werden.“3
Versprochen hat die deutsche Autoindustrie stets viel – zu viel. Dass sie die Versprechungen technisch einhalten kann, scheint wahrscheinlich Ob sie es – vor allem aus finanziellen – Gründen tut, scheint fraglich: Zu viel Vertrauen ging seit Herbst 2015 verloren – und zu viel Nachsicht seitens der CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer.
Mehr E-Autos weltweit. „Die Zahl der Elektroautos steigt weiter rasant, 2017 übersprang die Zahl der Neuzulassungen mit 1,2 Millionen Fahrzeugen weltweit erstmals die Millionenmarke. Davon wurden über 600.000 allein in China zugelassen, ein Plus von 72 Prozent. Doch auch in Deutschland wächst die Zahl der Zulassungen stark: 58.000 neue Fahrzeuge wurden hierzulande zugelassen, doppelt so viele wie noch 2016. In diese Zahl sind jedoch auch Plug-in-Hybride eingerechnet.“4
Kein Interesse an E-Autos zum Mieten. Im Jahr 2017 wurden beim Buchungsportal billiger-mietwagen.de 8,75 Millionen Mietwagen-Tage über die Internetseite gebucht. Davon entfielen nur 3900 Tage auf Elektro- oder Hybrid-Fahrzeuge. Ein Firmensprecher sagte, dass die fossil betriebenen Mietwagen 500 bis 700 Kilometer Reichweite hätten, de Elektroautos nur 120 bis 200. Frieder Bechtel: „Das Letzte, was der Urlauber haben will, ist Stress, weil der Ladeplatz zugeparkt ist und die Anzeige auf ,sieben Prozent‘ steht.“5
In Leipzig gibt es seit 2016 das Start-up Strominator, wo man Elektroautos ausleihen kann. „Geholfen hat ein kommunales Förderprogramm: Firmen, die E-Fahrzeuge leihen, erhalten in Leipzig einen Mietzuschuss von bis zu 70 Prozent. ‚Das hat uns sehr geholfen‘, sagt Moeller, der inzwischen 130 Fahrzeuge an acht verschiedenen Standorten in Deutschland anbietet. Im Fuhrpark befinden sich neben Premiummodellen von Tesla auch Kleinwagen wie der Renault Zoe oder der BMW i3, die man notfalls auch an einer Haushaltssteckdose laden kann.“5
Deutsche Pkws immer größer. Jeden Tag steht irgendwo ein Bericht über die Klimaerwärmung und über den permanent steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre (Stichwort Keeling-Kurve). Und parallel zum steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigen in Deutschland auch die PS-Zahlen. „2017 hat die durchschnittliche PS-Zahl aller verkauften Neuwagen erstmals die Grenze von 150 überschritten. 152 PS steckten im Schnitt unter der Motorhaube, das waren vier PS mehr als im Vorjahr. Dies ergab eine Studie des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen. Und ein Ende des Trends ist nicht in Sicht; In den ersten Monaten 2018 betrug der Wert sogar 154 PS.“6
Zum Vergleich der Anstieg der durchschnittlichen Motorleistung in PS:
Bestand:1977: 67 PS; 1980: 72 PS; 1990: 82 PS; 1999: 90 PS; 2006: 99
Durchschnittliche PS-Zahl bei Neuwagen 2017: 154 PS
Quelle: Verkehr in Zahlen 1997, 2006/2007, Bonn/Berlin; www.autozeitung.de 20.3.2018 – CAR-Institut Essen
E-Autos an der Nordsee. In Schleswig-Holstein können Touristen ab dem Frühjahr Elektroautos mieten. Neun Autos stehen in einem ersten Schritt zur Verfügung: „Je einen Wagen bekommen Brunsbüttel, Büsum, Husum, Sankt Peter-Ording, die Hallig Langeneß sowie die Inseln Pellworm und Amrum. Sylt wird zwei Fahrzeuge bekommen.“ (8DPA, E-Autos an der Nordsee, in SZ 22.3.2018))
Akku-Aufbau. Felix Kuhnert, Leiter Automotive beim Beratungsunternehmen PWC, erklärt die Kosten für Batteriezellen-Fertigung: „Um etwa eine Batteriezellen-Fabrik mit einer Produktionskapazität von acht Gigawattstunden Speicherleistung pro Jahr aufzubauen, gehen wir von Investitionen zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro aus.“7 Der VW-Konzern hat angekündigt, im Jahr 2025 25 Prozent seiner Autos mit Elektroantrieb auszuliefern: Das wäre eine Batteriekapazität von 150 Gigawattstunden. „Allein um diesen Bedarf zu decken, müsste man gleich Dutzende neue Zellfabriken errichten. Selbst große Autohersteller dürften deshalb noch lange Batteriezellen für ihre Elektrofahrzeuge zukaufen müssen.“7
Ein übliches deutsches AKW produziert im Jahr etwa 12 Milliarden Kilowattstunden.
Tesla Model S wird doch gefördert. Tesla hatte in Deutschland Probleme mit der staatlichen Förderung. Sein Model S überschritt die Obergrenze von 60.000 Euro und fiel aus der Förderung, weil es zu teuer war. Die Grundversion kostete etwas unter 60.000 Euro, war aber nicht erhältlich. Deshalb hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) das Model S aus der Förderliste gestrichen. Am 29.3.2018 hat das Bafa den Tesla Model S wieder auf die Liste gesetzt: „Tesla konnte demnach nachweisen, dass ein Basismodell doch zu einem Preis von unter 60.000 Euro verfügbar sei. Die Förderung von 4000 Euro wird je zur Hälfte vom Hersteller und vom Staat getragen.“8
Kalifornien, März 2018: In Kalifornien kam Ende März 2018 ein Tesla-Fahrer im Silicon Valley von der Fahrbahn ab und prallte gegen eine Barriere. Er starb im Krankenhaus. „Wie das US-Unternehmen nun mitteilte, fuhr der Wagen im Autopilot-Modus. Der Fahrer des Tesla Model X habe mehrere Warnsignale erhalten, aber keine Maßnahmen ergriffen, erklärte das Unternehmen in der Nacht zum Samstag. (…) Bei dem Auto sei der sogenannte adaptive Tempomat eingeschaltet gewesen, bei dem der Wagen automatisch den Abstand zum vorderen Fahrzeug hält, erklärte Tesla. Dabei sei die Funktion auf die Mindestentfernung eingestellt gewesen. Der Fahrer habe mehrere visuelle und eine akustische Warnung bekommen und etwa fünf Sekunden Zeit und 150 Meter Entfernung bis zum Aufprall gehabt. Seine Hände seien jedoch vor der Kollision sechs Sekunden lang nicht auf dem Lenkrad gewesen. Der Fernsehsender ABC hatte in den vergangenen Tagen berichtet, der Fahrer habe sich nach Angaben der Familie bereits vor dem Unfall mehrfach beschwert, das Autopilot-System habe in Richtung der Fahrbahnbegrenzung gelenkt. Er sei mit der Beschwerde auch bei einem Tesla-Händler gewesen, ‚aber sie konnten es dort nicht nachvollziehen‘.“9
- Becker, Joachim, Mit Vollgas gegen die Wand, in SZ 3.3.2018 [↩] [↩] [↩]
- Reintjes, Dominik, Ein Doppelzimmer und volltanken, bitte! in spiegel.de 6.3.2018 [↩] [↩]
- Becker, Joachim, Zukunft möglich, in SZ 10.3.2018 [↩]
- Erstmals mehr als eine Million E-Autos, in spiegel.de 12.3.2018 [↩]
- Przybilla, Steve, Stromer zum Mieten, in SZ 17.3.2018 [↩] [↩]
- Mayr, Stefan, Stärker, schwerer, schmutziger, in SZ 20.3.2018; Hervorhebung WZ [↩]
- Pander, Jürgen, Wer baut den Akku der Zukunft? In spiegel.de 22.3.2018 [↩] [↩]
- Tesla ruft 123.000 Luxus-Limousinen zurück, in spiegel.de 30.3.2018 [↩]
- Tesla-Fahrer verunglückte mit eingeschaltetem Autopilot, in spiegel.de 31.3.2018 [↩]