Elektroauto Chronik eines Irrtums

Dezember 2013

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Joschka Fischer elektrisch. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer trat in einem dreiminütigen Werbefilm von BMW auf und zeigte sich beeindruckt vom elektrische i3. „Man kann Fischers Auto-Einsatz für kommerzielles Greenwashing und Verrat halten. Als Befürworter von Elektroautos mag man die offen zur Schau gestellte Nähe zur Industrie vielleicht sogar ganz o.k. finden. (…) Wenn Joschka Fischer jetzt also den Außenminister von BMW gibt, sollte einen das nicht groß verwundern. In der Autoindustrie werden demnächst Dinge passieren, die noch seltsamer sind.“1
Dazu kommentierte Marc Felix Serrao in der SZ: „33 Jahre nach Gründung der Grünen macht ihr einstmals wichtigster Kopf Werbung für ein Elektroauto. Ein Fahrzeug, das es ohne diese Partei und ihren Einfluss auf die Gesellschaft gar nicht geben würde. Nicht jetzt schon. Man könnte meinen, das sei ein Grund zum Feiern, nicht nur für den Autohersteller, auch für die Grünen. (…) ‚Joschka demontiert sich vor allem selbst‘, urteilte die Berliner Grünen-Abgeordnete Anja Schillhaneck ebenfalls via Twitter. (…) Sie, Schillhaneck, hätte sich gewünscht, dass er, Fischer, einen ‚anderen Weg‘ gewählt hätte. Gerade jetzt, ‚wo die Diskussion um Verknüpfungen von Politik und Automobilindustrie (…) zu Recht besonders kritisch diskutiert wird‘.“2

Überwachung: IM Elektroauto. Renault wird bezüglich seiner Elektroautos und den Vertragsbedingungen seit geraumer Zeit kritisiert. Ein Forennutzer kritisierte die „Fußangeln“ im Mietvertrag seines Zoe: Renault kann bei Rückständen der Ratenzahlung oder Vertragsende das Laden des Elektroautos beenden. Das Fahrzeug wird genau geortet und ein Fahrerprofil aufgezeichnet. Das ist freilich nicht nur bei Elektroautos der Fall, sondern bei allen moderneren Pkw. (Und mit dem e-Call – emergency call – genannten Notrufsystem, EU-weit ab März 2018 vorgeschrieben, ist die elektronische Überwachung endgültig eingebaut.)
Über „Vehicle Logs“ werden Daten der Wagen-Nutzung an den Autokonzern weitergereicht. Computer, Assistenzsysteme und Online-Betrieb werden zum Auto-Alltag. Überwacht werden ABS-System, Klimaanlage, Tacho, Beleuchtung, Airbags – offiziell oft aus versicherungsrechtlichen Gründen. „Damit der Airbag im Ernstfall korrekt zündet, muss die Steuereinheit Werte wie Geschwindigkeit und Motordrehzahl erfassen und speichern. Daneben erkennt das System, ob der Fahrer angeschnallt und der Beifahrersitz besetzt ist. Auch Fahrassistenzsysteme, zum Beispiel das Navigationsgerät, der Einpark- oder Tempo-Assistent, sammeln Daten.“3

Also doch: Subventionen. Im Regierungsprogramm der kommenden Großen Koalition steht, dass die staatliche KfW mit Billigkrediten insbesondere Elektrofahrzeuge fördern will: Zinssatz oder Umfang des Darlehens werden nicht erwähnt. „Das bisherige politische Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen auf Deutschlands Straßen eine Million reine Elektroautos und Hybridfahrzeuge unterwegs sein. Die bisherige Bilanz: Laut Kraftfahrtbundesamt gab es Anfang 2013 nur 7114 reine Elektroautos in Deutschland, außerdem etwa 65.000 Hybridfahrzeuge.“4

i3 im BMW-Alphabet. Der elektrische Kleinwagen i3 von BMW hat eine Carbon-Karosserie, etwa 200 Kilometer Reichweite und kostet in der Basisversion 35.000 Euro. Das ist für Privatkunden kein Schnäppchen. „Da BMW nun aber eine eigene Fuhrparkmanagement-Tochter hat, lag die Idee nahe: Die Tochter Alphabet soll nun zu einer wichtigen Leasing-Plattform für den i3 werden. (…) An die 55 Prozent aller 120.000 Alphabet-Fahrzeuge stammen von BMW, an die 45 Prozent sind Fremdmarken. (…) Die Leasing-Rate hänge von Ausstattung, zusätzlichen Services, Laufzeit und Laufleistung ab, heißt es bei Alphabet – im Schnitt könne man von einer ‚Leasingrate ab etwa 650 Euro‘ ausgehen.“5

Solarstrom für Elektroautos. Die Technische Universität München und BMW haben zusammen mit den privaten Firmen Dynahaus und SMA Solar Technology den Prototyp eines ‚Energie-Plus-Hauses‘ entwickelt. Dieses soll nicht nur Energie sparen helfen, sondern auch den Strom für Elektroautos abgeben. Ein TU-Musterhaus in Fürstenfeldbruck hat Photovoltaikmodule mit 7 bis 8 kW Spitzenleistung und könnte im Jahr rund 6000 kWh liefern. „Ein Viertel des Sonnenstroms soll nach Berechnungen der Wissenschaftler vom Zentrum für nachhaltiges Bauen an der TU München übrig bleiben, um damit auch noch das Elektroauto der Musterfamilie aufzuladen. Manuel Lindauer von der TU schätzt, dass die Batterie des Wagens damit 75-mal vollgeladen werden könnte. An trockenen Sonnentagen könnte die Familie dann jeweils 150 Kilometer fahren, insgesamt also mehr als 11.000 Kilometer.“6

  1. Fromm, Thomas, In Unordnung, in SZ 4.12.2013 []
  2. Serrao, Marc Felix, Schön doof, in SZ 7.12.2013 []
  3. Heimann, Felicitas, Sammelwut ermöglicht Fernzugriff, in SZ 11.12.2013 []
  4. Staatskredite für Stromautos, in SZ 12.12.2013 []
  5. Fromm, Thomas, Das E im Alphabet, in SZ 18.12.2013 []
  6. Bierl, Peter, Das Eigenheim als Tankstelle, in SZ 28.12.2013 []
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