Staatliche Subventionen für einen boomenden Industriezweig. 2016 wurde 12.363 Elektroautos in Deutschland neu zugelassen – und über drei Millionen Benzin-Pkw. Nach der „Abwrackprämie“ (die ein Umweltfrevel ohnegleichen war, weil funktionstüchtige Autos wegen 2500 Euros einfach entsorgt wurden), sollen nun staatliche Milliarden in die Elektromobilität gepumpt werden, obwohl die Autokonzerne grandios verdienen. „Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist dafür, SPD-Chef Sigmar Gabriel (SPD) auch, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ziert sich noch. Die Grünen begrüßen den Plan im Grundsatz.“1
Dazu ein Kommentar von Thomas Fromm in der SZ: „Es sind Zahlen, die für sich sprechen. VW verdiente 2014 mehr als elf Milliarden Euro, Daimler über sieben Milliarden, BMW machte unterm Strich fast sechs Milliarden Euro Gewinn. Die Frage, ob man den Kauf von Elektroautos mit 5000 Euro pro Fahrzeug staatlich subventionieren sollte, ist angesichts solcher Bilanzen eher skurril. (…) Die Lösung wird nicht so einfach sein, wie es die Prämien-Befürworter suggerieren – es braucht mehr als 5000 Euro pro Auto, um die Stromer hoffähig zu machen. Sollte man sich auf Kaufprämien verständigen, dann bitte nur so: Die Industrie sollte einen Teil der Hilfen selbst mitstemmen – die Gewinne bleiben am Ende ja auch bei ihr.“2
Und Nikolaus Piper wies in der SZ darauf hin, dass das Elektroauto bis heute ein Nischenprodukt ist. Deren Zahl liegt aktuell bei 12.363. „Subventionen, Steuernachlässe und Kaufprämien für Unternehmen sind immer problematisch. (…) Ein abschreckendes Beispiel dafür, wie Staat und Wirtschaft mit viel Geld in die falsche Richtung laufen können, lässt sich in diesen Tagen besichtigen: Jahrelang dachte man, die Zukunft des Autos liege in der Dieseltechnik. Die deutschen Hersteller vermarkteten Diesel in den USA als Lösung der Umweltprobleme. An deutschen Tankstellen fällt auf Diesel 18,4 Cent weniger Steuer an als auf Benzin. Jetzt stellt sich heraus, dass Diesel zwar sparsam ist, nicht aber unbedingt umweltfreundlich. Der VW-Konzern gaukelte das bloß vor und produzierte so den Abgas-Skandal. Das Umweltbundesamt empfiehlt, die Steuersubvention für Diesel wieder abzuschaffen.“3
Deutsche E-Politik. Am 2.2.2016 fand im Kanzleramt ein Gipfel deutscher Automanager und der beteiligten Minister statt. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte die Autoindustrie auf, selbst mehr für die Elektromobilität zu tun. „Tatsächlich liegt der schleppende Absatz der E-Autos nicht nur an den vergleichsweise hohen Preisen der Modelle. Ungeklärt ist nach wie vor, wie Bund und Industrie gemeinsam eine Ausweitung des Ladenetzes von bislang 4000 Ladestationen für Stromer aufbauen können.“4 Gedacht wird an eine Kombination von Kaufanreizen und Infrastrukturausbau, Sonderabschreibungen bei der Beschaffung von Elektroautos für die Fuhrparks von Kommunen und Privatunternehmen, ein Abnahmezwang für öffentliche Einrichtungen. „Die Maßnahmen entsprächen auch dem Inhalt des Koalitionsvertrages von Union und SPD, wo es heißt: ‚Bei der Unterstützung des Markthochlaufs der Elektromobilität setzen wir auf nutzerorientierte Anreize statt auf Kaufprämien.’“4
Elektro-Gipfel vertagt. Auf dem Treffen konnte keine Einigung über eine gemeinsame Strategie gefunden werden. „Die Pläne etwa für Kaufprämien sind zwischen den Konzernen aber auch innerhalb der Bundesregierung weiter umstritten. In der Koalition machen sich SPD und CSU für direkte Kaufanreize stark, für die Gabriel eine Größenordnung von 5000 Euro pro Fahrzeug vorgeschlagen hat. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt dies bisher ab, die Kanzlerin hat sich nicht öffentlich festgelegt.“5
SWM-Ladestrom teurer. Die Münchner Stadtwerke stellten das Ladestrom-Kostensystem ihrer bislang 18 Ladesäulen um. Ab 1.1.2016 wird eine Grundgebühr vo 10,12 Euro pro Monat plus 1,80 Euro pro Ladestunde erhoben. Vorher hatten die SWM eine einmalige Grundgebühr gefordert: Danach war das Laden kostenfrei. „Für Ärger sorgt ein neues Preismodell der Stadtwerke München (SWM): Wer Strom an einer der 18 Ladesäulen der SWM ‚tanken‘ will, muss seit dem 1. Januar dafür eine Grundgebühr von 10,12 Euro im Monat zahlen. Hinzu kommen 1,80 Euro pro Ladestunde und bis 50 Cent pro kWh. Solche Preise waren E-Auto-Nutzer bislang nicht gewohnt. Bisher hatten die SWM lediglich eine einmalige Grundgebühr erhoben, danach war jeder Ladevorgang an einer der öffentlichen Säulen gratis. ‚Nach sechs Jahren nahezu kostenlosem Laden haben wir nun damit begonnen, die Nutzung der Ladesäulen auch abzurechnen‘, sagt ein SWM-Sprecher. (…) Was viele allerdings stört, ist die Höhe der neuen Gebühren.“6 Da sich die Ladezeit bei volleren Batterien verlängert, wird eine Vollladung entsprechend teurer. (Deshalb besteht die Tendenz, die Akkus nur bis 80 Prozent aufzuladen.) Als Grund nannten die SWM, dass die alten Zähler nicht vom Eichamt zugelassen waren. „Sauer ist die E-Auto-Szene vor allem auch deshalb, weil führende Vertreter der Stadt das Jahr 2016 quasi zum Jahr der Elektromobilität ausgerufen haben – auch wenn Umweltverbände und Stadtplaner stets warnen, dass E-Autos kein Allheilmittel sind, um sämtliche Verkehrsprobleme zu lösen.“6
Elektrische Deutsche Bahn mit Elektroautos. Die Deutsche Bahn startet ab 18.2.2016 einen Versuch in Berlin, den Ticketverkauf mit der Nutzung eines Elektroautos zu kombinieren. Dieses soll dann am Zielbahnhof verfügbar sein. „Zugriff auf Autos der Bahn-Car-Sharing-Tochter Flinkster soll haben, wer per Fernzug in die Hauptstadt reist. Im Netz bietet der Konzern dann mit dem Bahnticket zur Weiterfahrt E-Autos für 29 Euro am Tag an. Bis zu einer Woche sollen Kunden das Fahrzeug behalten können. Für Anmeldung oder Verbrauch entstünden keine Zusatzkosten, erklärt die Bahn – eine Kampfansage auch an Mietwagenfirmen.“7
Norwegen elektrisch. 2015 wurden in Norwegen „nur“ 35.000 Elektroautos gekauft – rund ein Viertel aller Neuzulassungen. Die Privilegierung des Elektroautos in Norwegen ist hoch. Es fallen keine Mehrwert- und Abgassteuer an, das macht ca. 20.000 Euro Ersparnis im Durchschnitt. Diese Subvention kostete den Staat 2014 und 2015 eine Milliarde Euro. Dazu kommen Benutzung von Busspuren, kostenloses Parken, kostenlose Nutzung der Fjord-Fähren, kostenloses Laden mit Strom an mehr als 4000 öffentlichen Ladestationen, kostenlose Benutzung der zahlreichen mautpflichtigen Straßen. „Trotz all dieser Privilegien haben 77 Prozent der norwegischen Neuwagenkäufer im vergangenen Jahr ein Modell mit Benzin- oder Dieselmotor gewählt. Ähnlich ernüchternde Erfahrungen gab es in allen Ländern, die in den vergangenen Jahren versucht haben, den Absatz von Elektroautos zu forcieren. (…) Obwohl die Elektroflotte dort zum Großteil aus schweren Luxuslimousinen besteht – der mindestens 80.000 Euro teure und über zwei Tonnen schwere Tesla S lag in den vergangenen beiden Jahren auf Platz zwei der Verkaufsstatistik –, sank der durchschnittliche CO₂-Ausstoß aller Neuwagen in Norwegen schon im Jahr 2014 auf 93 Gramm pro Kilometer. Das sind 34 Gramm weniger als im EU-Durchschnitt. Denn Norwegen speist sein Stromnetz zu fast 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus Wasserkraftwerken. In allen anderen Ländern bewirken die massiven staatlichen Elektroauto-Kampagnen bisher keinen wirklichen Umweltvorteil. Den gibt es nur in Sonntagsreden, die sehr weit in die Zukunft einer erneuerbaren Stromversorgung blicken.“8
Vergleiche auch: Norwegen-Elektroautos
Warum forciert die Autoindustrie Elektroautos? Warum investieren die deutschen Autokonzerne überhaupt in Elektroautos? Weil sie, wie hier schön öfter angeführt wurde, sonst nicht die neuen EU-Grenzwert von 95 Gramm CO2 schaffen würden. Denn sie haben sich auf schwere Limousinen und SUVs spezialisiert, mit denen sich mehr Geld verdienen lässt. Und jetzt kommt der Rechentrick mit den Elektroautos zum Tragen. „Denn obwohl dessen Schadstoffausstoß über die Stromerzeugung ähnlich hoch ist, wird das betreffende Fahrzeug beim Flottenverbrauch mit null Gramm CO₂ angerechnet, und das – auf deutschen Druck – sogar bis zu zweifach. Ein Elektroauto zählt in der Abrechnung doppelt. Mit einer ökologischen Verkehrswende hat all das nichts zu tun. Und derzeit stagnieren auch die Absatzzahlen. Im Januar wurden in Deutschland gerade mal 477 echte Elektroautos verkauft, 28 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Dazu kamen 591 Plug-in-Hybride, zusammen war das eine leichte Steigerung von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Spritfressende SUVs legten dagegen um 22 Prozent und Sportwagen sogar um 38 Prozent zu.“9
Vgl. auch: Super-Credits
- Fromm, Thomas, Der Staat zahlt mit, in SZ 1.2.2016 [↩]
- Fromm, Thomas, Auch die Konzerne müssen zahlen, in SZ 1.2.2016 [↩]
- Piper, Nikolaus, Vorsicht, Falle! in SZ 2.2.2016 [↩]
- Balser, Markus, Fromm, Thomas, Mehr Saft, in SZ 3.2.2016 [↩] [↩]
- Balser, Markus, Mehr im März, in SZ 4.2.2016 [↩]
- Völklein, Marco, Verdruss an der Stromtanke, in SZ 1.2.2016 [↩] [↩]
- Balser, Markus, Anschluss auf der Straße, in SZ 15.2.2016 [↩]
- Asendorpf, Dirk, Die Milliardenwette, in Die Zeit 18.2.2016 [↩]
- Asendorpf, Dirk, Die Milliardenwette, in Die Zeit 18.2.2016; Hervorhebung WZ [↩]