China kauft Experten ein. Die „Future Mobility Corporation“ (FMC) wurde 2016 von dem chinesischen Internet-Riesen Tencent, dazu dem Elektronik-Konzern Foxconn und dem Autohändler Harmony gegründet. FMC braucht jede enge hochqualifizierter Elektroauto-Spezialisten und bedient sich bei der Konkurrenz: bei BMW und Daimler, Google und Tesla. Von BMW kommt u. a. Carsten Breitfeld: „Nach seiner Promotion als Maschinenbauingenieur hat er fast 20 Jahre lang bei BMW Karriere gemacht, avancierte vom Fahrwerkstechniker zum Projektverantwortlichen für den Hybrid-Sportwagen i8. Er gilt weltweit als Koryphäe für den Bau von E-Autos (…) Von BMWs E-Auto-Projekt namens ‚i‘ wechselten der Chefdesigner, der oberste Entwickler des elektrischen Antriebs und der leitende Produktmanager. Von Mercedes und Google kamen zwei Spezialisten für selbstfahrende Autos. Auch dem amerikanischen E-Auto-Hersteller Tesla haben Breitfeld und Kirchert drei Führungskräfte abgeworben – vor allem Marc Duchesne, der bei dem kalifornischen Rivalen die globale Lieferkette organisierte.“1
Breitfeld zog weitere führende Elektroauto-Spezialisten von BMW ab: den Chef-Designer Benoit Jacob, den Marketing-Chef Henrik Wenders und Dirk Abendroth, der den BMW-i-Antrieb entwickelt hat. Dazu kam auch Daniel Kirchert, der in China das Joint Venture von BMW mit dem chinesischen Hersteller Brilliance aufgebaut hatte. Kirchert erklärte: „Wir bringen hier deutsche Produktionsqualität mit chinesischer Kostenstruktur und IT-Kompetenz zusammen.“2 FMC holte sich von überall Mitarbeiter: „Wolfram Luchner, bei FMC für die Mensch-Maschine-Schnittstelle verantwortlich, war ein führender Kopf in Googles Projekt zum autonomen Fahren. Nicht weit entfernt im Silicon Valley hat Luca Delgrossi die Fahrroboter für Mercedes entwickelt, bevor er Direktor autonomes Fahren bei FMC wurde. Schon wird das Start-up als nächstes Tesla gehandelt – nicht ohne Grund: Der Ex-Toyota-Manager Mark Duchesne baute die Tesla-Fabrik in Fremont von der Manufaktur zum Vollwerk aus. Nun wird er die FMC-Produktion leiten. Auch Einkaufschef Stephen Ivsan hatte bei Tesla zuvor dieselbe Funktion inne.“2
Chinas Luftverschmutzung. Da die chinesische Stromerzeugung vor allem über Kohlekraftwerke läuft, ist die Luftqualität in chinesischen Großstädten katastrophal. Mehr als eine Million Menschen sollen durch sie pro Jahr sterben. Nun versucht die chinesische Regierung, die Luftverschmutzung mit Elektroautos einzudämmen. „Die elektronische Revolution des Verkehrs soll den ökologischen Kollaps verhindern. Die Führungsriege um Staatspräsident Xi Jinping hat angeordnet, dass in drei Jahren fünf Millionen Autos mit alternativem Antrieb, gut 25-mal so viele wie zurzeit in Deutschland, auf Chinas Straßen fahren müssen. Schon 2016 wurden mehr als 500.000 solcher Fahrzeuge verkauft. Hierzulande waren es rund 25.000. Pekings Plan geht natürlich nur auf, wenn statt unsauberer Energie aus Kohle genug alternativer Strom im Land produziert wird. Sonst nämlich würden die Emissionen nur verschoben und nicht eingespart.“1
Elektrifizierung auf Chinesisch. Bis zu umgerechnet 7000 Euro erhalten die Käufer von Elektroautos als Kaufprämie. Provinzregierungen bieten günstige Kredite für Elektroautos. Derzeit gibt es 270.000 Ladestationen in China. „Immobilienbesitzer, die den Bau weiterer Ladesäulen auf ihrem Grund verweigern, müssen mit Strafen rechnen. So soll der Plan erfüllt werden: In Ballungsräumen darf im Jahr 2020 die nächste E-Tankanlage nirgendwo weiter als einen Kilometer entfernt sein. (…) In Chongqing, einer Megacity mit mehr als 30 Millionen Einwohnern, ordnete die Verwaltung kürzlich sogar an, die gesamte Taxiflotte auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Auch die Zentralregierung hat beschlossen, dass künftig mindestens 30 Prozent ihrer Dienstfahrzeuge mit Strom fahren müssen – und dass dies einheimische Produkte zu sein haben.“1
„Made in China 2025“. Der chinesische Ministeriumsplan sieht bis 2030 einen Anteil der Elektroautos von 40 Prozent vor, etwa 15 Millionen E-Autos pro Jahr. Davon sollen die meisten in China produziert werden – mit dem Konzept „Made in China 2025″, das China in die Hightech-Liga befördern soll. „Neben Robotik, künstlicher Intelligenz sowie Luft- und Raumfahrt ist die Elektromobilität eine tragende Säule der Strategie, die Staatschef Xi Jinping vorgegeben hat. Für ihn ist die Batterie der einzige Weg, um China zu einem ‚starken Land des Autos zu machen‘. Bislang hat das nämlich nicht geklappt. Unterhaltungselektronik, Solarmodule, Windräder – Weltmarkt um Weltmarkt haben chinesische Unternehmen erobert. Nur beim Auto sind sie gescheitert. Obwohl der Staat ausländische Hersteller verpflichtet hat, in China in Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Firmen zu produzieren, reichte es nicht aus, sich die Technik abzugucken und sie zu kopieren. Zu komplex ist die Ingenieursarbeit rund um den Verbrennungsmotor.“1
München, nicht-elektrisch. In München ergab eine Umfrage bei städtischen Gesellschaften oder solchen, bei denen die Stadt beteiligt ist, dass von 1500 Fahrzeugen nicht mehr als 63 über einen elektrischen Antrieb verfügen. Bei den Stadtwerken haben zehn Autos von 884 Fahrzeugen einen Elektroantrieb, beim Flughafen acht von 310. Mehr als 50 Prozent haben gar kein E-Auto. „Die kommunalen Unternehmen befinden sich übrigens in bester Gesellschaft: Von den rund 2200 Fahrzeugen, die direkt der Stadt München oder ihren Eigenbetrieben gehören, rollen erst 18 mit Strom. Zwei davon sind Gabelstapler. (…) Der Flughafen weist zudem darauf hin, dass beim Elektroauto angesichts des deutschen Strommixes noch immer 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer entstehen, was ‚noch lange nicht optimal‘ sei. (…) Was nicht in der Statistik auftaucht: Der Flughafen verfügt über 180 elektrische Abfertigungsfahrzeuge sowie 84 Hybridschlepper. Und auch die Stadtwerke-Tochter MVG besitzt einen beeindruckenden Elektro-Fuhrpark: 113 Trambahnen und 562 U-Bahn-Wagen.“3
Der Hausanschluss. Wer für sein Elektroauto einen Hausanschluss plant, stößt oft an die Kapazitätsgrenzen der lokalen Gemeindeversorgung. Noch schwieriger wird es bei WEG-Immobilien. „Eigentümer in einer Wohnanlage dürfen nicht auf eigene Faust handeln und selbst einen Umbau in Auftrag geben. Sie sind vom Wohlwollen der Miteigentümer abhängig. Das Verlegen von Stromkabeln oder die Installation einer Ladestation, zum Beispiel in der Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses oder im gemeinsamen Garagenhof einer Reihenhaussiedlung, bedarf grundsätzlich der Zustimmung der Miteigentümer.“4
Entschädigung. Der Sprecher des Deutschen Mieterbundes in Berlin, Ulrich Robertz, rät den Stellplatzmietern, die eine Lademöglichkeit wünschen, zu einer schriftlichen Zustimmung des Vermieters und im Fall des Auszugs zu einem Verbleib des Anschlusses, eventuell gegen Entschädigung. „Eigentlich könnten sich Vermieter mithilfe modernisierter Garagen einen Wettbewerbsvorteil am Wohnungsmarkt verschaffen, sind Experten überzeugt. Was die 22 Millionen Mietverhältnisse bundesweit angeht, haben bislang aber nur wenige das erkannt.“4
Vergleiche auch: Immobilien und Ladestationen
Deutscher Staat darf subventionieren. Die Bundesregierung hat (mit der Autoindustrie) 300 Millionen Euro für Elektroauto-Ladestationen im Zeitraum 2017 bis 2020 bereitgestellt. Dies hat nun die EU-Kommission genehmigt, da das Programm „eine tatsächliche Marktlücke“ schließt und den Wettbewerb nicht „übermäßig“ behindere. Die Förderung werde ‚der Nutzung von Elektrofahrzeugen erheblichen Auftrieb verleihen‘ und damit einen ‚wichtigen Beitrag‘ leisten, um Schadstoffemissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. (…) Unterstützt werden sowohl private Investoren als auch Städte und Gemeinden. Ziel ist der Aufbau einer ‚flächendeckenden Ladeinfrastruktur‘ mit bundesweit 15.000 Säulen.“5
Der Ausbau speziell der deutschen Elektromobilität wird die Luftqualität nicht verbessern, sondern weiter verschlechtern – durch den Strom-Mix und den Aufbau der zusätzlichen Strom-Infrastruktur.
Elektroauto hilft nicht gegen Feinstaub. In Stuttgart wurde seit 17.1.2017 der Grenzwert für Luftschadstoffe regelmäßig bis um das Dreifache überschritten; an 29 Tagen bestand bis jetzt Feinstaubalarm. Die Stadtverwaltung forderte die Autofahrer zur Benutzung des ÖPNV auf – weitgehend ohne Erfolg. 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft sind der maximale Grenzwert: 80 Mikrogramm Feinstaub haben die Messstationen in der Innenstadt registriert. Nun ist das Feinstaubproblem nicht nur ein Problem der Diesel-Fahrzeuge, sondern auch der Benzin-Fahrzeuge – und der Elektroautos. „Neueste Messresultate der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) zeigen nämlich: Nicht die Dieselabgase sind der Hauptverursacher der hohen Feinstaubbelastung. Stattdessen hat die LUBW ‚Aufwirbelungen und Abriebprozesse‘ ausgemacht, die ‚eine wesentliche Rolle‘ spielen. Den Messungen zufolge entsteht der verkehrsbedingte Feinstaub der Partikelgröße PM10 (bis zehn Mikrometer Durchmesser) zu rund 85 Prozent durch Reifen-, Bremsen- und Straßenabrieb sowie durch die Aufwirbelung der Staubschicht auf den Fahrbahnen.“6 Am berüchtigten Messpunkt am Stuttgarter Neckartor werden seit Jahren die höchsten Staubkonzentrationen gemessen. Das LUBW stellte aber fest: „Pro Kubikmeter Luft stammen lediglich 1,9 Mikrogramm Feinstaub aus den Auspuffrohren der vorbeifahrenden Autos. 11,9 Mikrogramm werden hingegen durch Abrieb und Aufwirbelungen verursacht. Mit anderen Worten: Selbst wenn nur abgasfreie Elektroautos durch die Stadt führen, änderte sich kaum etwas an der Feinstaubbelastung der Atemluft. ‚Den Abrieb von Bremsen, Reifen und die Wiederaufwirbelung gibt es beim E-Auto genauso wie bei Autos mit Verbrennungsmotor‘, erklärte Dekra-Fachmann Clemens Klinke kürzlich das Phänomen und resümierte: ‚Gegen den Feinstaub bringt das Elektroauto nicht allzu viel.‘ (…) 44 Prozent aller innerstädtischen PM10-Partikel, die am Neckartor gemessen werden, sind auf den Abrieb von Reifen und Bremsen sowie durch die Aufwirbelung des Staubs zurückzuführen.“6
Audi will mit einem Megawatt laden. Stefan Niemand ist bei Audi für das Thema Elektromobilität zuständig. Sein Credo: „Das entscheidende Kriterium für den Durchbruch des Elektroautos wird die Erstwagentauglichkeit sein.“ – Niemand will gleichzeitig „keine grüne Banane auf den Markt bringen.“7 Nun sind die Kunden der Luxusautos von Audi (und Mercedes und BMW) verwöhnt, langstreckenerprobt und scheuen das „Reichweitenrisiko“. „Audi-Manager Niemand sieht als wichtigsten Zwischenschritt eine drastische Verkürzung der Tankpause: ‚Sie mögen heute noch darüber lachen, aber wir werden übermorgen mit einem Megawatt laden.‘ (…) Ein schöner Traum, doch die deutschen Autokonzerne können ihn aus eigener Kraft nicht wahr werden lassen. Die Stromkonzerne sind gefragt. Eine Autobahntankstelle, die täglich Tausende Megawatt-Tanker bedienen soll, hätte den Stromverbrauch einer Kleinstadt.“7
- Hecking, Claus, Sie setzen ein Volk unter Strom, in Die Zeit 2.2.2017 [↩] [↩] [↩] [↩]
- Becker, Joachim, Angriff aus China, in SZ 11.2.2017 [↩] [↩]
- Hutter, Dominik, Gegen den Strom fahren, in SZ 7.2.2017 [↩]
- Gräber, Berrit, Fortschritt verboten, in SZ 10.2.2017 [↩] [↩]
- AFP, EU fördert Ladestationen, in SZ 14.2.2017 [↩]
- Vieweg, Christof, Die Motoren sind nicht das Problem, in zeit.de 17.2.2017 [↩] [↩]
- Wüst, Christian, Revolutionäre Zellen, in Der Spiegel 8/18.2.20177; Hervorhebung WZ [↩] [↩]