BMW präsentiert „project i“. Das Elektroauto von BMW lief unter dem Begriff „Megacity Vehicle“. Es war bekannt, dass der Fahrzeugrahmen aus Aluminium und die Fahrgastzelle aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, CFK, bestehen soll. „Carbon ist 50 Prozent leichter als Stahl und bis zu 30 Prozent leichter als Aluminium. Das Material aus Kohlenstofffasern rostet nicht und gilt als extrem crashfest. Schon heute wird das Material im Rennsport und in der Luftfahrtindustrie eingesetzt. (…) Noch hüllt sich der Konzern über den Preis in Schweigen; Brancheninsider taxieren ihn auf ‚irgendwo zwischen 40.000 und 50.000 Euro‘.“1 Die Carbonfasern werden mit kanadischer Wasserkraft in der Nähe von Seattle/USA hergestellt und im bayerischen Wackersdorf zu dünnen Stoffbahnen vernäht; in Landshut werden mit Spezialharz die Formen produziert.2
Exkurs: Kalifornien und der Clean Air Act. Der Clean Air Act ist ein Bundesgesetz der USA zur Reinhaltung der Luft. Damit soll eine gute Luftqualität gesichert, vor Saurem Regen geschützt und die Ozonschicht geschützt werden. Dazu sollen CO2-Emissionen reduziert werden, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Der Clean Air Act wurde schon 1963 verabschiedet und in den 1970er Jahren erweitert und verschärft und 1990 in seiner endgültigen Form bestätigt. (Aus Wikipedia) Gegen Ende des 20. Jahrhunderts zeichnete sich damit die kommende Positionierung des Elektroautos ab. Der US-amerikanische „Clean Air Act“ von 1990 und die verschärfte kalifornische Version sollten für Luftverbesserungen sorgen. In Kalifornien wurde ab 2003 ein Anteil von zehn Prozent Elektroautos vorgesehen.
Das EV1-Coupe von General Motors. Die Opel-Mutter General Motors hatte 1996 das zweisitzige EV1-Coupé auf den Markt gebracht, das nach nur 1100 gebauten Exemplaren eingestellt wurde. Nach diesem Misserfolg waren auch Elektroauto-Modelle anderer US-Autokonzerne erst einmal gestoppt. Dann kam die nächste Stufe des Clean Air Acts: „Der kalifornische Clean Air Act schreibt den Herstellern nun bei Strafandrohung vor, dass elf Prozent der zugelassenen Neuwagen Nullemissionsfahrzeuge sein müssen. Deshalb ging BMW 2009 mit einem Großteil ihrer 600 Mini-E-Prototypen in Kalifornien an den Start; auch Nissan betreibt die Markteinführung des E-Mobils Leaf mit Hochdruck. General Motors ist beim neuesten Elektro-Hype ebenfalls dabei, doch diesmal ist unter der Motorhaube alles anders. Der Chevrolet Volt und der nahezu baugleiche Opel Ampera dürfen sich Elektrofahrzeuge nennen, obwohl sie einen 111 kW (150 PS) starken Elektromotor mit einem Vierzylinder-Benziner kombinieren.“3
Künstlicher Lärm. Elektroautos sind bei niedrigen Geschwindigkeiten relativ leise, zumindest im Vergleich zu fossil betriebenen Fahrzeugen. Das führt zur Unfallgefahr mit Fußgängern und Radfahrern. Deshalb werden die Elektroautos von den Herstellern mit einem „Sound“ ausgestattet. Bei Nissan heißt dieser „Vehicle Sound for Pedestrians“ (VSP). „So wie man persönliche Klingeltöne auf sein Handy herunterladen kann, wird man offensichtlich schon bald auch seinem Auto eine unverwechselbare Stimme geben können. Der Kleinwagen mit dem Röhren eines Formel-eins-Boliden ist ebenso denkbar wie ein Elektro-Ferrari, der mit dem Hufgetrappel eines Vierspänners daherkommt.“4
Juli 2010: Großraum München größtenteils Elektroauto-frei. Am 9.7.2010 wurde die erste Stromtankstelle im Landkreis Starnberg eröffnet, betrieben vom TÜV Süd und Eon. In Erding wird eine Säule mit vier Steckdosen geplant. In München gibt es zwei Stromtankstellen; 100 sollen bis Ende 2010 im Stadtgebiet installiert werden. In München sind nun 43 Elektroautos und 37 Elektro-Lkws zugelassen- wenig im Vergleich zu rund 740.000 fossil betriebenen Pkw. „Bereits in zehn Jahren, so das große Ziel, sollen in München 100.000 Elektroautos unterwegs sein.“5 Die Koordinierung der Elektromobilität in München übernehmen die Stadtwerke München, die mit BMW, Siemens und anderen Konzernen zusammenarbeiten. Siemens liefert Ladestationen und engagiert sich bei Schnellladesystemen, die das Laden entsprechend verkürzen.5
Daneben gibt es die erwähnte Kooperation von RWE mit dem Autoverleiher Sixt und dem ADAC. „Vom heutigen Montag an vermietet Sixt in München fünf Elektroautos an Interessierte, RWE eröffnet dazu drei Ladestationen. Von der Sixt-Station in der Friedenstraße am Ostbahnhof kann jeder Neugierige ein Elektroauto mieten. Es handelt sich auch hierbei um einen Modellversuch. Ende September ziehen die Autos im Rahmen einer bundesweiten Erprobungstour weiter nach Hamburg. Der Stromkonzern RWE hat einen weiteren Kooperationspartner in München: Der ADAC bietet an seiner Zentrale am Westpark eine Ladestation für jedermann.“5
„Mute“ in München. Am 13.7.2010 stellte Prof. Markus Lienkamp von der TU München sein Elektroauto „Mute“ vor. „München und die Region sieht der Ingenieur aber als ideales Terrain für den Einsatz von E-Mobilen. Der öffentliche Personennahverkehr sei so gut ausgebaut, dass die meisten Menschen nur kurze Strecken mit dem Auto zurücklegten. Dass im Raum München bis 2020 entsprechend den Plänen der Bundesregierung 100.000 Elektroautos unterwegs sind, hält der Professor für ‚realistisch‘.“6 Der Mute fährt maximal 120 km/h und kann zwei Personen transportieren; Er wiegt 500 kg, davon 100 kg die Batterie mit 15 kWh. Die Leasingrate wird rund 330 Euro pro Monat betragen.7 Die Reichweite soll bei 100 km liegen. Geheizt wird mit Bioethanol. Robert Pietsch vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik: „Für Wärme ist der Strom in der Batterie viel zu kostbar.“8
„Im Jahr 2015 soll das Auto an den Markt gehen. Und 2018 bei den Olympischen Winterspielen in München und Garmisch-Partenkirchen könnten ganz viele Mutes unterwegs sein – etwa als Mietauto für Besucher, sofern München den Zuschlag vom Internationalen Olympischen Komitee erhält.“9
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die Winterspiele 2018 gingen – auch dank des Widerstandes unseres Netzwerks NOlympia – nach Pyeongchang in Südkorea.
Elektrisch rasen. Der Mercedes-Edeltuner AMG ließ es sich nicht nehmen, die nächste irrwitzige Variante eines elektrifizierten Boliden herauszubringen: den Supersportwagen SLS. „Ist der SLS E-Cell mit 392 kW (533 PS) also das ideale Batterieauto – zumindest für gut betuchte Kunden? (…) Beim Spurt von null auf 100 km/h drehen die Elektromotoren verzögerungsfrei hoch und bringen den E-Cell in 4,0 Sekunden auf Tempo – nur einen Wimpernschlag länger als beim Pendant mit 6,3-Liter-V8Motor. Mögliche Höchstgeschwindigkeit: mehr als 250 km/h. (…) Bei einem rund zwei Tonnen schweren E-Mobil stellt sich grundsätzlich die Sinnfrage, egal wie sportlich es unterwegs ist.“10
Siehe auch Glossar „Elektrisch rasen“
Der grüne EU-Parlamentarier Michael Cramer, von 2004 bis 2017 deren verkehrspolitischer Sprecher, kritisiert in der taz die Verkehrsentwicklung: „Der Straßenverkehr ist in der Europäischen Union für ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Schlimmer noch: Die Emissionen von Privatfahrzeugen und Lkws haben seit 1990 um mehr als ein Drittel zugenommen, während sie in der Industrie oder durch die Wärmedämmung bei den Häusern im selben Zeitraum um etwa 10 Prozent reduziert werden konnten. Der Verkehr frisst also doppelt und dreifach das auf, was in anderen Sektoren mit Milliardeninvestitionen unserer Steuergelder eingespart wurde. Diese Zahlen sprechen für eine radikale Wende in der Verkehrspolitik. Nach der – trügerischen – Hoffnung auf Agrosprit setzen jetzt viele auf das Elektroauto, das ohne Zweifel beim Fahren emissionsfrei ist. Doch ob die Umweltbilanz – und dazu gehört die gesamte Kette von der Produktion über die Nutzung bis hin zum Verschrotten und/oder Recyceln – wirklich besser ist, hängt entscheidend von der Stromquelle ab. Ideal wären erneuerbare Energien. Doch die reichen nicht einmal ansatzweise für den bisherigen Stromverbrauch.“11
Cramer verweist auf den Zusammenhang zwischen Elektroauto und Atomlobby in Frankreich und übt generelle Kritik am Auto als Verkehrsmittel in der Stadt:
„Aufgrund seiner kurzen Reichweite stellt das E-Car vor allem eine Konkurrenz zum umweltfreundlichen Verkehr via Bus, Bahn und Fahrrad dar. Gerade in den Städten ist das Auto im wahrsten Sinne des Worts der Motor, der die Verschlechterung der Lebensqualität vorantreibt. Deshalb brauchen wir dort keine neue, automobile Konkurrenz zu den automobilen Kurzstreckenvehikeln, sondern eine Alternative zum flächenfressenden Automobil – unabhängig von dessen Antrieb. Die Emissionen sind nämlich nur eins von fünf Problemen, welche die Automobilität mit sich bringt. Gerade in dicht besiedelten Regionen gehört dazu der gesundheitsschädliche Lärm, der durch die Geschwindigkeit sowie den Reifen- und Straßenbelag beeinflusst wird. Zweitens, die Zahl der Unfälle, bei denen jedes Jahr in der EU fast 40.000 Menschen sterben. Drittens frisst der Autoverkehr immer mehr Raum. Aus diesem Grund verschwinden in Deutschland jeden Tag 117 Hektar (!) unter Beton und Asphalt, was sich durch den Einsatz von E-Cars nicht im Geringsten ändern würde. Schließlich bleiben, viertens, die Kosten: Jedes Auto wird pro Jahr mit 3000 Euro vom Steuerzahler subventioniert, wenn man die Arbeitsausfall-, Invaliditäts- und Krankheitskosten mit einberechnet. Die Klimakosten, fünftens, wurden dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Und diesen Betrag zahlt jeder Steuerzahler, selbst wenn er kein Auto besitzt.“11
Ein Problem stellt auch der steigemde Stromverbrauch durch Elektroautos dar: „Die Königliche Akademie der Wissenschaften in Großbritannien hat errechnet, dass der Strombedarf auf der Insel dann aber trotzdem um 16 Prozent steigen würde. Es ist zu befürchten, dass Großbritannien, das mit der Atomenergie liebäugelt, dafür sechs neue Atomkraftwerke bauen würde.“11
Und wegen der Punkte 1 bis 5 ist das Elektroauto ein Ablenkungsmanöver.
Showcar Audi R5. Audi stellte den R5 mit 204 PS und 2650 Newtonmeter (Nm) vor, dazu wird es den e-tron mit 313 PS geben. Gleichzeitig verschweigt Audi, dass kein weiteres Elektroauto geplant ist.12
Tesla und die Sicherung. Gregor Wöltje fährt eines von derzeit 45 Elektroautos in München, einen Tesla Roadster. Er lädt seinen Tesla morgens vor seinem Büro mit der Kabeltrommel: „…dann muss er aber auch auf Kaffee verzichten. Denn neulich ließ er den Tesla und die Kaffeemaschine über eine Sicherung laufen. Und die flog dann raus.“13
Bayern will fördern. Die nächste Kooperation zum Thema Elektromobilität: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der Deutsche Gewerkschaftsbund und die IG Metall. Seehofer: „Für Bayerns Wirtschaft und Industrie sind die Weiterentwicklung der Elektromobilität und die Energieversorgung der Zukunft Schlüsselthemen.“14
- Fromm, Thomas, Leicht und teuer, in SZ 2.7.2010 [↩]
- Lamparter, Dietmar H., Volle Ladung, in Die Zeit 29.7.2010 [↩]
- Becker, Joachim, Die Hoffnung aus der Dose, in SZ 5.7.2010 [↩]
- Koydl, Wolfgang, Hört, hört! in SZ 12.7.2010 [↩]
- Tibudd, Michael, Tanken ohne zu zahlen, in SZ 12.7.2010 [↩] [↩] [↩]
- Funke, Christiane, Der Stadt-Sprinter aus Garching, in SZ 12.7.2010 [↩]
- Wikipedia. Wikipedia hat eine Liste der Elektroauto-Prototypen erstellt unter https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Elektroauto-Prototypen [↩]
- Schrader, Christopher, Stadtauto mit Stecker, in SZ 15.7.2010 [↩]
- Völklein, Marco, Schub für Elektromobilität, in SZ 24.7.2010. Siehe auch im Glossar: „Mute [↩]
- Becker, Joachim, Schwer unter Strom, in SZ 19.7.2010 [↩]
- Cramer, Michael, Mobilität aus der Steckdose? in taz 26.7.2010; Hervorhebung WZ [↩] [↩] [↩]
- Kacher, Georg, Das Denk-Modell, in SZ 26.7.2010 [↩]
- Völklein, Marco, Antrieb aus der Dose, in SZ 30.7.201 [↩]
- dpa, Elektromobilität wird in Bayern gefördert, in SZ 31.7.2010 [↩]