Die Auto-Zukunft landet im Museum. Wolfgang Lohbeck, der ehemalige Leiter des Smile-Projekts von Greenpeace, übergab den Smile an das Deutsche Museum in München. Das damalige Spritsparwunder ist bereits 20 Jahre alt – inzwischen werden keine noch sparsameren Kleinwagen gefeiert, sondern SUVS und andere saurierartige Autoboliden. “ Greenpeace hatte mit einem umgebauten Renault Twingo damals bewiesen, dass ein Serienauto mit der Hälfte des regulären Benzinverbrauchs auskommen kann – und die Industrie zum Umdenken bewegt. Dem Smile reichten drei Liter auf 100 Kilometer, er war dank seiner aerodynamischen Form mit 170 Stundenkilometern schneller als das Ursprungsmodell und schaffte es von Hamburg nach Rom mit einer einzigen Tankfüllung.“1
Vermaledeite EU-Grenzwerte. Die EU-Kommission hat festgelegt, dass der Flottenverbrauch der Autokonzerne ab 2020 auf 95 Gramm CO2 sinken muss. Das ist im Prinzip sinnvoll, wird sich aber als Konjunkturprogramm für Elektroautos erweisen, weil die Autokonzerne mit ihnen die EU-Vorgaben unterlaufen. Sie specken nicht etwa ihre großen Modelle und SUVs ab, mit denen sie am besten verdienen, sondern rechnen Elektroautos dagegen, die – fälschlich – mit Null Gramm CO2 bewertet werden und auch noch einen Mehrfach-Faktor bekommen, die Super-Credits. Am 11.6.2015 wurde der neue 7-er BMW vorgestellt. BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson „braucht also seine Elektroautos, um alles miteinander zu verrechnen und die C02-Grenzen so zu unterschreiten. Deshalb hätten er und seine Kollegen aus der Autoindustrie ja gerne mehr davon in ihren Auftragsbüchern. ‚In anderen Ländern werden Elektroautos mehr gefördert‘, klagt Robertson.“2
Und schon wieder: Nationale Elektromobilitätskonferenz in Berlin. Am 15.6.2015 hat die Bundesregierung mit Angela Merkel an der Spitze zu ihrer nationalen Elektromobilitätskonferenz nach Berlin geladen. Fraglich ist, ob die Regierung Sonderabschreibungen für elektrische Dienstwagen gewährt: von 50 Prozent im ersten Jahr war die Rede. „Steueranreize, die Firmen ermutigen sollen, die Stromer ins Programm zu nehmen. Doch Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kabinettskollegen sind offenbar sehr zögerlich. Eine massive Förderung von E-Autos, die wird es wohl vorerst nicht geben. Nicht ausgeschlossen also, dass auch an diesem Montag in Berlin nichts Konkretes beschlossen wird.“2
Von wegen eine Million (1). BWM hat 2014 insgesamt rund 16.000 Exemplare ihres i3 verkauft – bei zwei Millionen Pkw weltweit. Elektroautos verkaufen sich in Deutschland nach wie vor schlecht. „An die 25.000 E-Autos soll es in Deutschland geben, reine Batterieautos und sogenannte Plug-in-Hybride zusammengerechnet. Zwischen Januar und Februar wurden in Deutschland an die 6.200 Elektroautos neu angemeldet. Anteil am Gesamtmarkt: 0,6 Prozent.“2
Von wegen eine Million (2). „Fachleuten ist längst klar, dass nicht nur Autobauer über den Erfolg der Verkehrswende entscheiden. Sollen 2020 wirklich eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, wie es sich die Regierung bislang wünscht, müssten hierzulande in den nächsten Jahren Zehntausende öffentliche Ladestationen entstehen.3
Vor dem Elektromobilitätsgipfel in Berlin am 15.6.2019 warnen die Stromversorger vor Engpässen bei den Ladestationen. Derzeit gibt es etwa 5500 öffentliche Ladepunkte. Die Bundesregierung will diese Zahl bis 2020 auf 70.000 erhöhen, die EU möchte 150.000 in Deutschland. In dünn besiedelten Gebieten sind Ladesäulen, die etwa10.000 Euro kosten, kein Geschäft, deshalb investieren die Stromversorger ungern. Der Strom müsste hier den fünffachen Preis zur Kostendeckung haben. „Der Finanzierungsbedarf für öffentliche Lademöglichkeiten liegt laut Regierung bei insgesamt 550 Millionen Euro bis 2020. (…) Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein Beratergremium der Bundesregierung, empfiehlt deshalb die öffentliche Förderung der Ladestationen. Die Bundesregierung lehnt das ab und wünscht sich ihrerseits, dass die Industrie nicht nur die Infrastruktur schafft, sondern auch eine einheitliche Abrechnung. Denn selbst dort, wo es Ladesäulen gibt, herrscht bislang ein heilloses Durcheinander von Anbietern und Tarifen.“3
Zahlen alle für den Elektroauto-Strom? Ein Positionspapier von Gero Lücking, Geschäftsführer des Stromversorgers „Lichtblick“, schlägt vor, dass die öffentlichen Ladesäulen Teil des Netzes und wie Stromleitungen von Netzbetreibern betrieben würden. Dann würde die Bundesnetzagentur den Ausbau planen. Allerdings will diese nicht die künftige Elektromobilität organisieren und warnt vor neuen Belastungen der Stromkunden, worauf Abteilungsleiter Achim Zerres hinweist. „Mit der Finanzierung über Netzentgelte würde der Stromkunde mit Kosten belastet, die ihn eigentlich nichts angehen. Schließlich fahre nicht jeder Elektroauto. Zudem sei eine solche Entscheidung für die Finanzierung über die Stromrechnung beinahe unumkehrbar.“3
Das „Jahr des SUV“. Daimler-Chef Dieter Zetsche propagierte im Januar 2015 die SUVs, nicht die Elektroautos: „Die Zeit ist jetzt genau richtig: Der Markt für SUVs wird immer noch stärker.“4 Von Elektroautos keine Rede mehr. (Im Jahr 2019 liegt der Anteil der SUVs bei den Neuzulassungen schon bei über 30 Prozent.) „Noch vor ein paar Jahren sah es so aus, als stünde der Welt die große Elektroauto-Offensive bevor. Das goldene Zeitalter des emissionsfreien Autofahrens. Heute sprechen Manager und Politiker über Elektroautos, als wären sie ein gesellschaftliches Problem, das man lösen müsse. Eine Art Sozialfall der Industrie. Dass ausgerechnet in diesem Jahr des SUV die Industrie auf Subventionen für ihre E-Autos dringt, mag sehr bizarr klingen, folgt aber einer stringenten Logik.“5
Die EU-Kommission wird die Grenzwerte des Flottenverbrauchs ab 2020 auf 95 Gramm CO2 absenken. Das wird ein Konjunkturprogramm für Elektroautos, die offiziell als Null-Emissionsauto gewertet und mit Super-Credits versehen werden. „Keine SUVs ohne Elektroautos. Nur: SUVs und Luxuslimousinen sind Selbstläufer. Die weniger attraktiven Elektroautos braucht man, damit man seine SUVs auch in den nächsten Jahren noch verkaufen kann.“5
Nun wird auf der Elektromobilitätskonferenz in Berlin wieder der Wunsch nach Sonderabschreibungen für elektrische Dienstwagen vorgetragen. Damit kämen lediglich zusätzliche Dienstwagen auf die Straße. Wo hier eine CO2-Einsparung erfolgen soll, bleibt schleierhaft – das Gegenteil ist der Fall.
Elektromobilitätskonferenz der Bundesregierung in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte „eine weitergehende Förderung“ der Elektroautos an mit finanziellen Anreizen beim Kauf. (Dies hatte sie wie auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt früher immer abgelehnt.) Merkel verwies darauf, dass auch in den europäischen Nachbarländern die Elektromobilität nur durch staatliche Subventionen vorangekommen sei.6
Derzeit gibt es in Deutschland knapp 22.000 reine Elektroautos und 108.000 Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb. „Zusammen sind damit erst 0,6 Prozent der Autos in Deutschland mit Strom unterwegs – weit weniger als erhofft. (…) Der Stromverband BDEW stellte zudem ein Konzept für den Aufbau von 10.000 weiteren Ladesäulen bis 2017 vor. Finanziert werden solle dies durch ‚ein partnerschaftliches Finanzierungskonzept zwischen öffentlicher Hand und der Wirtschaft‘, schlug der BDEW vor.“6
Vulgo: Der Steuerzahler zahlt die Ladeinfrastruktur…
Lamparter: Keine Subventionen! Dietmar H. Lamparter in der Zeit zur Elektromobilitätskonferenz: „Die bisherige Unterstützung wie die Befreiung von der Kfz-Steuer oder die Möglichkeit für die Kommunen, gebührenfreie Parkplätze anzubieten und die Fahrt auf Busspuren zu erlauben, genüge nicht. In der Tat läuft es denkbar schlecht: Gerade mal ein halbes Prozent der Neuzulassungen waren 2015 E-Autos oder Plug-in-Hybride. Und es wird nicht besser: Von Januar bis Mai wurden gut 1,5 Millionen neue Pkw verkauft, darunter laut Kraftfahrt-Bundesamt exakt 6856 Stromer und Plug-ins.7
Lamparter äußerte zur Reichweite der Elektroautos von etwa 150 Kilometer, dass jemand, der nur ein Auto hat, sich dann bei längeren Fahrten nach Alternativen umsehen muss. Dazu kostet ein E-Golf das Doppelte eines normalen Golfs mit sparsamem Benzinmotor. Auch das Ladeproblem spielt eine Rolle, da die Strecke München-Hamburg vier Zwischenstopps erfordert. „Abhilfe könnte eine Verdopplung der elektrischen Reichweite schaffen. In vier, fünf Jahren sei es so weit, sagen Autobauer wie BMW und Zulieferer wie Bosch unisono. Dann leisteten die Akkus das Doppelte zum gleichen Preis. Doch wie viel ist mein jetzt gekauftes E-Auto dann noch wert, fragen sich die Kunden zu Recht?“7
Und dann stellt Lamparter eine Lösung vor, die auf der Hand liegt, aber – natürlich – nicht von der Autoindustrie gewählt wurde: „Wer schneller zu größeren CO₂-Einsparungen kommen will, sollte vielleicht mit der Strategie aufhören, jedes Nachfolgemodell noch größer zu machen und mit mehr PS auszurüsten. Würden Autobauer sparsame kleinere Benziner und Diesel attraktiv machen, täten sie angesichts der hohen Stückzahlen viel Gutes für den Klimaschutz. Die Politik sollte an dieser Stelle mehr Druck machen, anstatt E-Autos mit hohen Subventionen in den Markt zu drücken.“ 7
Völlig richtig. Leider wollen die deutsche Autoindustrie und viele deutsche Autofahrer etwas ganz anderes: dicke Autos – und kein Tempolimit auf Autobahnen. Freie Fahrt für Klimazerstörer…
Christian Wüst kommentierte die „Nationale Konferenz Elektromobilität“ im Spiegel: „Wer das Elektroauto schon für startklar hält, hat entweder die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Kraftfahrt nicht verstanden, oder er leugnet sie bewusst: Batterien sind keine geeigneten Kraftstofftanks für vollwertige Autos. Sie fassen viel zu wenig Energie und brauchen für die Betankung mit Strom viel zu lange. Selbst die von Tesla gepriesene Schnellladung ist keine Lösung. Ein Auto, das eine halbe Stunde lang am Kabel hängen muss, um dann bei zügiger Fahrt kaum 200 Kilometer weit zu kommen, kann niemals die Bedürfnisse einer mobilen Gesellschaft befriedigen, die dummerweise noch immer aufs Auto setzt und mit diesem auch verreisen will. Selbst wenn alle Autobahntankstellen mit Schnellladesäulen übersät wären, würde der sommerliche Urlaubsverkehr mit Millionen von Tesla-Fahrern nicht organisierbar sein. Das Ergebnis wäre der längste Stau der Verkehrsgeschichte.“8
Lkw mit Oberleitung. Auf einer zwei Kilometer langen Teststrecke von Siemens auf einem ehemaligen russischen Militärflugplatz in der Schorfheide nördlich von Berlin werden Oberleitungs-Lkws erprobt. Ein Kabinettsbeschluss vom Dezember 2014 soll innerhalb des „Aktionsprogramm Klimaschutz“ in der Legislaturperiode die Teststrecke für 1,1 bis 1,5 Millionen Euro in beiden Fahrtrichtungen errichtet werden. Die Elektrifizierung des Güterverkehrs soll Energie sparen, wie Projektleiter Martin Birkner verspricht: „Mit diesem System könnten wir den Energieverbrauch der Lastwagen halbieren und den CO2-Ausstoß sogar um 95 Prozent senken, wenn wir Strom aus erneuerbaren Energien benutzen.“9
Und schon wieder ein potenzieller Großverbraucher für Ökostrom!
Da selbst bei einem Totalausbau der Autobahnen mit Oberleitungen die Lkws auf allen anderen Straßen entweder ein Plug-in-System oder einen zusätzlichen fossilen Antrieb bräuchten, würde das ganze System reichlich aufwendig.
Laut Siemens-Konzern sind Batteriesätze für E-Lkws zu schwer und können wegen der hohen Ausnutzung auch nicht in den Standzeiten aufgeladen werden. Hierzu könnte die Oberleitung auch dienen. Durch die Spannung von 600 Volt ist auch das Gefahrenpotential erhöht und erfordert Sicherheitsmaßnahmen. Die Oberleitungsmasten sollen von verstärkten Leitplanken geschützt werden; reißender Fahrdraht muss von Gewichten von der Fahrbahn gezogen werden; Schalter schalten den Strom ab.
„Ein Laserortungssystem am Lastwagen überwacht ständig, wo die Oberleitung ist. Verlässt der Lkw plötzlich die Spur, gibt die Elektronik das Signal, sofort wieder den Dieselmotor zu starten und den Stromabnehmer einzuklappen. Der duckt sich hinter einen Dachspoiler und wird dort verriegelt. Dieses in der Eisenbahnersprache ‚Abbügeln‘ genannte Manöver passiert auch, sobald der Fahrer den Blinker setzt. Der Stromabnehmer geht erst dann wieder automatisch hoch und ‚bügelt an‘, wenn der Laster direkt unter einer Oberleitung fährt. Das geht automatisch, sogar bei einem Tempo von 90 Kilometern pro Stunde.“9
Und auch hier soll der Hybrid kommen: „Im Lkw-Bau steht nämlich ein fundamentaler Wandel an: Viele Laster der Zukunft werden neben dem Diesel- auch einen Elektromotor haben.“9
- Sparsamer Oldtimer, in SZ 12.6.2015 [↩]
- Fromm, Thomas, Das Problem mit dem E, in SZ 15.6.2015 [↩] [↩] [↩]
- Balser, M., Bauchmüller, M., Geladen ist nur die Stimmung, in SZ 15.6.2015 [↩] [↩] [↩]
- Fromm, Thomas, Zurück in die Vergangenheit, in SZ 13.1.2015; vgl. Januar 2015 [↩]
- Fromm, Thomas, Das Auto ist der Anreiz, in SZ 16.6.2015 [↩] [↩]
- Zu wenig Saft bei Elektroautos, in SZ 16.6.2015 [↩] [↩]
- Lamparter, Dietmar H., Bloß keine E-Subventionen, in Die Zeit 18.6.2015 [↩] [↩] [↩]
- Wüst, Christian, Festgefahren, in Der Spiegel 26/20.6.2015 [↩]
- Schrader, Christopher, Schluss mit Brummi, in SZ 28.7.2015 [↩] [↩] [↩]