Elektroauto Chronik eines Irrtums

Hochvoltsystem

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„Ein Hochvoltsystem, oder Hochvolt (kurz HV), ist ein eigenständiger Begriff aus der Fahrzeugtechnik für Systeme welche mit Wechselspannungen über 30 V bis 1 kV oder mit Gleichspannungen über 60 V bis 1,5 kV betrieben werden.“ (Wikipedia)

Standards für Elektroautos. Ende April 2009 einigten sich Europas Autohersteller auf einen Standardstecker für Elektroautos. Es hat sich damals wohl um den sogenannten Eurostecker für 400 Volt Drehstrom gehandelt, der für heutige Elektroautos längst nicht mehr aktuell ist. „Mit Steckdosenstrom (230 Volt, 16 Ampere) müsste man zwölf Stunden lang laden. ‚Doch bei 400 Volt und 25 Ampere könnte der Autofahrer bereits nach zwei Stunden wieder eine Langstrecke zurücklegen‘, sagt Siemens-Entwickler Spiegelberg.“1

Service für Elektroautos. Die Serviceproblematik für Elektroautos ist gravierend, da die neue Spannungsebene von 48 Volt eingeführt wird. „Bei der Hybridtechnologie können Ströme von bis zu 1000 Volt Spannung auftreten. ‚Hier besteht Lebensgefahr für ungeschulte Mechaniker, aber auch für Ersthelfer am Unfallort wie Feuerwehren und Sanitäter‘, warnt Heidi Atzler vom TÜV Süd.“2

Miserable Leistung. Die Ingenieure müssen mit Spannungen von 400 bis 600 Volt umgehen: Dies birgt auch ein erhöhtes Gefahrenpotential. „Und plötzlich ist auch die Reichweite ein Problem – wie weit kommt so ein Auto? Plötzlich kostet so ein Teil mehr als das ganze restliche Auto und liefert immer noch eine miserable Leistung.“3

Hochvolt-Rasen. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Jahr 2010 ließ Audi einen Prototyp des R8 e-tron mit 230 kW und Hochvoltanlage eine Runde fahren. „Der Fahrer hatte allerdings die Stallorder, nicht durchgehend mit voller Kraft zu fahren. Die Ingenieure waren nicht sicher, ob die Akkus das durchhalten würden. Eine Runde in Le Mans ist 13,6 Kilometer lang.“4

Elektroauto und Feuerwehr. „Was haben die Freiwilligen Feuerwehren mit dem vollelektrischen BMWi3 zu tun, mit dem der bayerische Autohersteller den Weg in die mobile Zukunft beschreiten will? ‚Sehr viel, denn er stellt die Helfer bei Unfällen hinsichtlich Rettung, Bergung und Eigenschutz vor neue Herausforderungen‘, stellte Kreisbrandrat Hubert Stefan am Samstag auf dem Kommandantentag auf dem Brucker Fliegerhorst-Gelände fest.“2
Wolfgang Hang von der BMW Group hält dagegen das Elektroauto für mindestens so sicher wie die herkömmlichen. Das Hochvolt-System dar, das den Wagen antreibt. Das Hochvolt-System wird beim Auslösen des Airbags ausgeschaltet und die Batterie entladen. „Damit die Hochvoltkabel von denen des normalen Zwölfvolt-Systems deutlich zu unterscheiden sind, seien sie überdies orange ummantelt. Die elektrische Gefährdung sei gering, versicherte der BMW-Vertreter.“5

Toyota mit Hochvoltsystemen. Seit Ende der neunziger Jahre verbaut Toyota Hochvoltsysteme in seinen Hybrid-Modellen wie dem Prius. Auch Bosch bietet inzwischen ein 48-Volt-System an. „Die erste Testfahrt mit dem integrierten Bosch-System war jedenfalls verblüffend leise: Ein Kompaktauto mit 48-Volt-Batterie kann weiter elektrisch fahren oder ohne Antrieb segeln als ein Toyota Prius. Am Ende könnten sich die Mildhybride durchsetzen, weil sie sich im Alltag ähnlich anfühlen wie Elektroautos und Hochvolt-Hybride – bei geringeren Anschaffungskosten.“6

Der Eup – dein Freund und Helfer. Wer hilft bei Pannen mit dem Elektroauto? Die Helfer des ADAC sind alle „Eups“: Elektrotechnisch unterwiesene Personen. „Dazu mussten die sogenannten Gelben Engel Fortbildungen absolvieren. Das ist notwendig, weil E-Mobile über Hochvoltnetze mit einer Spannung von 400 bis 600 Volt verfügen – ein Stromschlag wäre hier tödlich. Allerdings, so erklärt mir ein ADAC-Sprecher, verhinderten Sicherheitsvorkehrungen, dass die Karosserie unter Spannung gerät. Beispielsweise sei das Hochvoltnetz vom Bordnetz getrennt ist. Das Bordnetz versorgt Licht, Blinker oder Klimaanlage mit Strom, während das Hochvoltnetz nur für den Antrieb vorgesehen ist.“7

Der Porsche Mission E bestimmt die Dimension. Der angestrebte Schnellladebetrieb der Akkus hängt von der Leistung der Ladesäule, dem Bordnetz des Autos und des Akkupaketes ab – und natürlich von der Elektro-Infrastruktur, welche die Ladesäulen versorgen. „Alle heute erhältlichen Elektroautos arbeiten mit einer Batteriespannung von 400 Volt. Das reicht für die neuen Schnellladenetze nicht aus. ‚Um mit 350 Kilowatt zu laden, brauche ich 800 Volt‘, erklärt (ABB-Verantwortlicher) Mühlon. Leistung besteht immer aus Spannung und Strom. Sprich: Hat ein Auto die doppelte Batteriespannung, kann es auch doppelt so viel Leistung aufnehmen – und somit schneller laden. Doch der Umstieg auf 800 Volt erfordert aufwendigere Komponenten und eine andere Absicherung im Auto, was die Technik derzeit noch teuer macht. Das erste Elektroauto mit einer 800-Volt-Batterie wird der Porsche Mission E sein, der 2019 auf den Markt kommen soll. Vorher wird also keiner die vollen 350 Kilowatt an der Ionity-Station abrufen können. Da kurze Ladezeiten vom Kunden ausdrücklich gewünscht sind und die entsprechende Infrastruktur im Aufbau ist, werden künftige Elektroautos zunehmend auf 800 Volt setzen. Wenn die Technologie zum Standard wird, sinken auch die Kosten.“8
Vielleicht sinken die Kosten für den Ladestrom: Was sich in jedem Fall drastisch erhöht, sind die Kosten für Versorgungsleitungen. Dafür sind bundesweit tausende dicker Kupferkabel nötig.

400 Volt, Lebensgefahr. Die Gefahren haben Farben: Rot ist extrem gefährlich = 400 Volt, Blau ungefährlich = 12 Volt. Bernd Füsting schult im VW-Werk Zwickau den Umgang mit Hochvoltsystemen und sagt: „Die Elektromobilität ist nicht ungefährlich.“9

Der ADAC baut vor. Der Leiter der ADAC-Geschäftseinheit Helfen, Thomas Reynartz, berichtete im SZ-Interview, dass der ADAC seine über 1700 Straßenwachtfahrer zu „elektrisch unterwiesenen Personen“ (EUPs) weitergebildet hat, damit sie  auch bei Elektroautos helfen können. „Um allerdings an der Hochvoltanlage arbeiten zu dürfen, müssten wir sie weiter spezialisieren.  Diesen Bedarf sehen wir akut nicht, verfolgen aber sehr genau die  weitere Entwicklung.“10

  1. Schuh, Hans, Batterie auf Rädern, in Die Zeit 20.5.2009 []
  2. Fritscher, Otto, Schwarz, Sebastian, Der weite Weg zur Steckdose, in SZ 21.8.2009 [] []
  3. Hoppe, Ralf, Wüst, Christian, Der Rettungswagen, in Der Spiegel 18/3.5.2010 []
  4. Wüst, Christian, Wundergarn aus Wackersdorf, in Der Spiegel 51/20.12.2010 []
  5. Amann, Manfred, Ersthelfer am Elektroauto, in SZ 18.2.2014 []
  6. Becker, Joachim, Asphalt-Flüsterer, in SZ 30.5.2015 []
  7. Frahm, Christian, Hier kann nur ein Eup helfen, in spiegel.de 13.6.2017 []
  8. Schaal, Sebastian, Jetzt kommen die Superlader, in wiwo.de 27.4.2018 []
  9. Hägler, Max, 1700 Roboter und 7700 Menschen, in SZ 16.11.2018 []
  10. Völklein, Marco, Abschleppen statt laden in SZ 16.2.2019 []
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