Elektroauto Chronik eines Irrtums

Moia

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Aktualisiert 29.2.2020

„Magie“. „Der Name Moia stammt, leicht abgewandelt, aus dem indischen Sanskrit und bedeutet ‚Magie‘.“ (Huber, Fabian, Ist das die Goldene Zukunft des Stadtverkehrs? in Die Zeit 2.2.2019))

Aus Wikipedia: „MOIA GmbH bietet Mobilitätsdienste im Verkehrssegment zwischen Linienbus und Taxi an. Diensten mit klassischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sollen 2019 Angebote mit Elektrofahrzeugen folgen. In den 2020er Jahren sollen die Chauffeure der Anfangszeit dann durch autonome Fahrzeuge entbehrlich werden.“
Moia-Webseite: https://www.moia.io/de/

Wie funktioniert Moia? „In einem gemeinsamen Projekt arbeiten MOIA, der Mobilitätsdienstleister von Volkswagen und die Hamburger Hochbahn AG daran, ein neues umweltfreundliches Mobilitätsangebot für Hamburg zu entwickeln. Der Shuttle-on-Demand-Service ist mit umweltfreundlichen Elektrofahrzeugen unterwegs, die den öffentlichen Nahverkehr ergänzen und eine Alternative zum privaten Pkw bieten sollen. Zum offiziellen Start am 15. April 2019 geht MOIA nun mit einem besonderen Angebot an den Start.
Vom 15. April bis zum 12. Mai 2019 kostet eine Einzelfahrt im Geschäftsgebiet in Hamburg maximal 5 Euro. Jede weitere Person die mitfährt, zahlt einen reduzierten Fahrpreis. Das Geschätsgebiet reicht im Süden bis Rothenburgsort, auch der Flughafen im Norden ist inbegriffen. Im Osten Hamburgs reicht das Gebiet bis Wellingsbüttel, im Westen ist auch Blankenese mit dabei.
Die Kunden können den Service per Smartphone-App buchen und geben Standort und Ziel ein. Der MOIA-Shuttle bedient dann Fahrtanfragen verschiedener Personen, die in die gleiche Richtung unterwegs sind. Über einen Algorithmus werden diese miteinander kombiniert, die Routen geplant sowie Fahr- und Ankunftszeiten individuell berechnet. Die geplante Integration in die switchh-Plattform der HOCHBAHN soll das bestehende Angebot an online buchbaren Carsharing-Fahrzeugen und Leihfahrrädern um eine neue umweltfreundliche ‚Shared Mobility‘-Lösung erweitern. Preislich soll sich die Fahrt zwischen einer Taxifahrt und den Preisen des ÖPVN orientieren. Ungefähr 5 bis 10 Euro pro Fahrt zahlen Nutzer derzeit in Hannover, wo der Anbieter schon seit August 2018 aktiv ist. Je mehr Leute mitfahren, desto günstiger wird es.“1

500 VW-E-Klein-Busse für Hamburg. Die VW-Tochter Moia will in Hamburg im Jahr 2019 einen Shuttle-Service mit einer zweistelligen Zahl von Elektro-Kleinbussen (umgebaute VW-Crafter) anbieten. „Fahrgäste mit ähnlichen Zielen teilen sich dabei das Fahrzeug, das per Smartphone-App zu virtuellen Haltepunkten gerufen werden kann. Die Einstiegspunkte sollen fußläufig zum Standort des Kunden sein. (…) Ab 2021 könne Moia dann die Zahl der eingesetzten Busse um weitere 500 erhöhen. Vor allem die Taxibranche hat starke Vorbehalte gegen Moia, sie fürchtet um ihr Geschäft. Verständlich, denn seit Jahren geht die Zahl der Taxis in Hamburg zurück. Im Jahr 2016 kamen noch gut 3000 Fahrzeuge zum Einsatz. Die von VW geplanten 1000 Moia-Autos, stellen eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar. Nicht zuletzt wegen der vorgesehenen Preise: Eine Fahrt im E-Kleinbus soll zwar teurer sein als mit Bus und Bahn, aber günstiger als mit dem Taxi. In Zukunft plant VW den Einsatz von autonom fahrenden Moia-Autos, ein Chauffeur ist dann überflüssig.“2

Hamburger Taxifahrer gegen Moia. Ab April 2019 sollen 100 der sechssitzigen VW-Elektro-Kleinbusse in Hamburg fahren: in den nächsten zwölf Monaten sollen noch 400 Kleinbusse dazukommen und in einer späteren Ausbaustufe insgesamt 1000 Fahrzeuge. Sie werden über eine APP gebucht und dienen als eine Art Gemeinschafts-Taxibus. Es gibt 10.000 virtuelle Haltestellen. VW will pro Kilometer einen Euro berechnen: Je mehr Fahrgäste gemeinsam fahren, umso billiger wird die Fahrt. Hamburger Taxifahrer verlangen eine Grundgebühr von 3.50 Euro und zwischen 1,50 und 2,45 Euro pro Kilometer. In Hannover ging Moia mit 75 Kleinbussen an den Start und hat nach Kritik der  Taxibranche die Kilometerpreise erhöht.3

Keine Zulassung für Berlin. Im August 2018 hatte Moia beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten einen Antrag für einen Testbetrieb mit 1000 elektrischen Kleibussen gestellt. Die Berliner Behörde lehnte den Antrag mit Verweis auf die beiden bestehenden Dienste ab: „Berlkönig“, ein Service der Berliner Verkehrsbetriebe und „Clever Shuttle“ von der Deutschen Bahn mit zusammen 130 Fahrzeugen.
In Hannover betreibt Moia 76 Fahrzeuge. In Hamburg sollten ursprünglich 1000 Fahrzeuge eingesetzt werden: Die Hansestadt beschränkte die Zahl auf 500.4

Von zehn auf 500. Im Februar 2019 fahren zehn Moia-Sammeltaxis durch Hamburg: Bis April 2019 sollen es schon 500 sein. In Hannover fahren 70 Moia-VW-Busse mit Benzinmotor; bis 2020 sollen es 150 elektrifizierte Moia-Busse sein. Am 21.2.2019 protestierten 700 Taxifahrer gegen die Aufweichung des Personenbeförderungsgesetzes durch das Bundesverkehrsministerium. „In Berlin wurde Moia die Konzession sogar verweigert. Mit Clevershuttle und Berlkönig gebe es bereits zwei Dienste, heißt es in der Begründung der Stadt.“5

Test in Hamburg. VW begann im Frühjahr 2019 mit einem Testbetrieb für autonomes Fahren: Fünf autonom fahrende Golf-E verkehren im öffentlichen Straßenverkehr. „Die Fahrzeuge sind dabei bis unters Dach mit komplexer Technik ausgerüstet: elf Laser-Scanner, sieben Radarsensoren und 14 Kameras sollen dafür sorgen, dass sich die Autos völlig autonom sicher und unfallfrei durch den Hamburger Stadtverkehr bewegen.“6 Im Kofferraum steckt eine Rechnerleistung von 15 Notebooks: Pro autonomer Fahrminute fallen bis zu fünf Gigabyte Daten an. Die Golf E fahren bis zu 50 km/h auf einer „Teststrecke für automatisiertes und vernetztes Fahren“ (TAVF). Dazu müssen alle Ampelanlagen mit einer Kommunikationstechnik ausgerüstet werden. Der Hamburger Versuch kostet rund 21,8 Millionen Euro.

Moia startet am 15.4.2019. Mit 10.000 Haltepunkten startet VW seinen Fahrdienst in Hamburg am 15.4.2019: Hundert goldenfarbene Elektro-Kleinbusse VW-Crafter fahren die unsichtbaren Haltepunkte nördlich der Elbe an. Die Moia-Busse sollen das eigene Auto ersparen: Sie könnten aber auch zu Lasten des ÖPNV gehen. Mit dem Smartphone und einer App bucht man den Zeitpunkt für die Ankunft. Im Premiumbus sitzen bis zu sechs Personen. Es gibt WLAN und Lademöglichkeiten für Smartphones.7

Siehe dazu auch den Testbericht von Christian Frahm: Wirklich mobil ohne Auto? So schlägt Moia sich im Alltag, in spiegel.de 15.4.2019

Moia in Hamburg gestoppt. Nach nur zehn Tagen wurde der VW-Shuttleservice Moia in Hamburg vom Verwaltungsgericht reduziert und darf statt 500 nur noch 200 Fahrzeuge fahren lassen. Ein Taxiunternehmer hat die Konkurrenz gestoppt. Er wollte als Betroffener im Genehmigungsverfahren gehört werden. Die Hamburger Behörden haben den sofortigen Vollzug ihrer erteilten Genehmigung angeordnet: Dagegen ging Taxiunternehmer Ivica Krijan wiederum gerichtlich vor. Das Gericht urteilte bis zur Hauptverhandlung, dass Moia nur 200 Crafter einsetzen darf und nicht, wie geplant, 500.8 Die Taxifahrer fürchten die (preisgünstigere) Moia-Konkurrenz. Der VW-Konzern äußerte Unverständnis, dass ein Taxiunternehmer das „öffentliche Verkehrsinteresse“ aushebeln könne. „Rechtliche Schwierigkeiten tauchen dabei nicht zum ersten Mal auf. In Berlin etwa bekam Moia erst gar keine Betriebsgenehmigung. Begründung: es gebe keinen Bedarf.“9

Hamburger Hochbahn AG mit Moia. VW lässt die goldenen E-Busse seit April 2019 in Hamburg verkehren. Die Hochbahn AG kooperiert beim „Ride-sharing“: Sie sieht in Moia keine Konkurrenz, sondern einen potenziellen Partner für Gebiete, wo sich ein Zwölf-Meter-Bus nicht rentiert.10

Moia darf doch mit 500 Bussen fahren. Im April 2019 entschied die erste gerichtliche Instanz aufgrund der Klage eines Taxiunternehmers, dass Moia, eine VW-Tochter, nur 200 E-Busse in Hamburg einsetzen darf. Im Eilverfahren entschied das Oberverwaltungsgericht, dass Moia nun doch 500 E-Busse einsetzen darf.11

Zwischenbilanz. Seit dem Start vor sechs Monaten hat Moia in Hamburg rund 770.000 Passagiere befördert. Im September 2019 wurden 159.000 Fahrgäste befördert. Die Zahl der goldfarbenen Kleintransporter wurde von 100 auf 200 erhöht: 2020 sollen es 500 werden. 260.000 Kunden registrierten sich mit der Moia-App. Die Bewertung lag bei 4,8 von 5 möglichen Punkten. Moias Konkurrent Clever Shuttle wird aus Wettbewerbsgründen Hamburg verlassen.12

VW: Reduzierung von Moia. Am 16.1.2020 hat VW-Chef Herbert Diess seine Top-Manager nach Berlin eingeladen. Neben dem Zurückfahren des Engagements bei Brennstoffzellen und synthetischen Kraftstoffen werde VW auch seine Aktivitäten bei Moia „deutlich“ reduzieren.13

Moia-Chef: privates Autobedeutungsloser. Thomas Sedran ist bei VW der Nutzfahrzeug-Vorstand und postuliert: „Perspektivisch wird der private Pkw in der Stadt an Bedeutung verlieren.“14 Das wird die VW-Pkw-Sparte natürlich nicht so gern hören. Sedran bevorzugt „Ride-Pooling“, wo sich unterschiedliche Fahrgäste einen Kleinbus bestellen, der eine Zwischenstufe zwischen ÖPNV und Taxi darstellt. Sedran ist bei VW für dieses Autosegment verantwortlich: „Multivan, Caddy, Transporter. Und dass die VW-Tochterfirma Moia genau diesen Service anbietet. In Hamburg übrigens fahren die Moia-Shuttles vollelektrisch, und auch das passt zur neuen VW-Strategie.“14

Vgl. auch: e.Go Moove, Elektro-Busse

  1. https://www.hamburg.de/auto-strasse-hamburg/9036454/moia/ []
  2. VW will 500 E-Kleinbusse bis Ende 2020 einsetzen, in spiegel.de 7.6.2018 []
  3. VW greift Nahverkehr mit Elektro-Sammeltaxis an, in spiegel.de 9.1.2019 []
  4. Slavik, Angelika, Abfuhr in Berlin, in SZ 7.2.2019 []
  5. Huber, Fabian, Ist das die Goldene Zukunft des Stadtverkehrs? in Die Zeit 2.2.2019 []
  6. VW fährt in Hamburg jetzt autonom, in spiegel.de 3.4.2019 []
  7. Nefzger, Emil, So funktioniert VWs Volks-Fahrdienst, in spiegel.de 13.4.2019 []
  8. Müller, Martin U., Moia muss seine Flotte in Hamburg begrenzen, in spiegel.de 24.4.2019 []
  9. Slavik, Angelika, Gericht stoppt Moia in Hamburg, in SZ 25.4.2019 []
  10. Bartsch, Matthias, Friedmann, Jan, Piltz, Christoph, Traufetter, Gerald, Ulrich, Andreas, Weinzierl, Alfred, Zuber, Helene, Mobil ohne Stau, in Der Spiegel 27/29.6.2019 []
  11. DPA, Freie Fahrt für Moia, in SZ 3.7.2019 []
  12. DPA, Moia zieht Bilanz, in SZ 16.10.2019 []
  13. Hägler, Max, Nokia als Warnung, in SZ 17.1.2020 []
  14. Beise. Marc, Eigenes Auto, wozu noch? in SZ 24.2.2020 [] []
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