Elektroauto Chronik eines Irrtums

Rebound-Effekt

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Aktualisiert 9.8.2020

Der Rebound-Effekt (1): Der Begriff „Rebound“ stammt vom Basketball und bezeichnet einen unkontrollierten Abpraller vom Backboard nach einem Korbwurf. Mit Rebound-Effekt (englisch für Abprall- oder Rückschlageffekt) werden in der Energieökonomie mehrere Effekte bezeichnet, die dazu führen, dass das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen nicht oder nur teilweise verwirklicht wird. Die Effizienzsteigerung sorgt dafür, dass der Verbraucher weniger Ausgaben hat und deshalb weitere Produkte erwerben kann. Führt die Effizienzsteigerung gar zu erhöhtem Verbrauch (das heißt zu einem Rebound-Effekt von über 100 Prozent), spricht man von Backfire. Der Rebound-Effekt ist ein Anstieg des Energieverbrauchs aufgrund einer Effizienzsteigerung. Er ist ein prozentualer Anteil des theoretischen Einsparpotenzials von Effizienzsteigerungen, der durch das Verhalten der Verbraucher nicht eingespart werden kann. Falls beispielsweise die Effizienzsteigerung um 20 % zunimmt, wird erwartet, dass der Ressourcenverbrauch um 20 % abnimmt. Wenn der Ressourcenverbrauch aber nur um 10 % zurück geht, ist die Größe des Rebound-Effekt 50 %. Zum Rebound tragen mehrere Effekte bei. Um von Rebound zu sprechen, müssen diese Effekte von der Effizienzsteigerung verursacht sein.“ (Wikipedia)
Weitere Beispiele: LED-Licht benötigt weniger Strom, also schaltet man es gar nicht mehr ab. Warmes Solarwasser wird vom Sonnenkollektor erhitzt, also badet man oder duscht länger. Und schließlich Elektroautos: Sie sollen vorgeblich umweltfreundlicher sein (was nicht stimmt): Also fährt man öfter und weiter damit. Verlierer sind der Fußgänger- und Fahrradverkehr und die Öffentlichen Verkehrsmittel.

Der Rebound-Effekt (2): „Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen erfordert einen effizienten Einsatz von Energie, Rohstoffen und Wasser. Durch die Steigerung der Effizienz können Produkte oder Dienstleistungen mit weniger Ressourcenverbrauch geschaffen werden. Oft sind damit auch Kosteneinsparungen verbunden. Diese haben wiederum Rückwirkungen auf das Kaufverhalten und den Gebrauch der Produkte. Ein einfaches Beispiel: Wenn Pkw durch Effizienzsteigerungen günstiger werden, dann fällt beim nächsten Kauf die Entscheidung eventuell zugunsten des größeren Modells aus. Ein sparsamer Pkw verursacht geringere Treibstoffkosten pro gefahrenem Kilometer. Das wirkt sich zumeist auf das Fahrverhalten aus: Wege werden häufiger mit dem Pkw zurückgelegt, längere Strecken gefahren und öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad dafür weniger genutzt. So kommt es, dass die technisch möglichen Effizienzgewinne in der Praxis häufig nicht erreicht werden, weil das Produkt häufiger oder intensiver genutzt wird.“ (Umweltbundesamt, Rebound-Effekte)

Elektrischer Rebound-Effekt. 15 Professoren problematisierten im November 2017 die Elektromobilität. Ihr Thesenpapier problematisiert u. a. den „Rebound-Effekt“: „Es ist bekannt, dass jeder technische Fortschritt so genannte ‚Rebound-Effekte‘ auslösen kann. So wird beispielsweise die Energieeinsparung durch effizientere Fahrzeugantriebe zumindest teilweise durch eine intensivere Fahrzeugnutzung sowie durch Kauf und Nutzung größerer sowie schwererer Fahrzeuge mit größerer Motorleistung  bei annähernd gleich bleibenden Betriebskosten kompensiert. Genau dieser Rebound-Effekt war in den zurückliegenden Jahren an der immer exzessiveren Motorisierung der Pkw zu beobachten – mit steigenden Fahrzeuggrößen und Leistungskennziffern. Bezüglich der Einführung von Elektrofahrzeugen wird allerdings eine derartige Entwicklung bisher nicht berücksichtigt.“1
Weblink: https://www.researchgate.net/publication/321708137_Gruppe_emeritierter_Verkehrsprofessoren_Deutschlands_und_Osterreichs_
Elektromobilitat_Macht_der_Wandel_des_Fahrzeugantriebs_den_Verkehr_umweltfreundlich

Mehr Autoverkehr durch Elektroautos. „Die Käufer von Batteriemobilen ändern anscheinend ihre Verkehrsgewohnheiten und sind besonders viel mit ihren Gefährten unterwegs. Vielleicht leitet sie dabei die Überzeugung, damit der Umwelt etwas Gutes zu tun, vielleicht wollen sie den hohen Anschaffungspreis möglichst schnell durch die geringeren laufenden Kosten ausgleichen. Zudem – das zeigt zumindest eine norwegische Studie – fahren etwa 85 Prozent von ihnen mit dem Auto zur Arbeit, während das weniger als die Hälfte der Besitzer normaler Wagen tun. Entsprechend verschmähen Elektroautonutzer Fahrräder und den öffentlichen Nahverkehr weitgehend.
In der Umweltforschung nennt man das einen Rebound-Effekt: Wer ein umweltfreundliches Produkt kauft, neigt oft dazu, es häufiger zu benutzen als ein reguläres Fabrikat, ob nun LED-Lampe oder Elektroauto. Das frisst einen Teil der möglichen Einsparungen gleich wieder auf oder verkehrt die Wirkung sogar ins Gegenteil. Zudem werden die heutigen Elektroautos oft stillschweigend als Zweitwagen vermarktet und auch so genutzt. Nur eine Minderheit der Käufer ersetzt ihr bisheriges Auto mit einem Batteriemobil.“2

„Funktioneller Rebound-Effekt“. So nennt das Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) in Heidelberg den Effekt, dass 43 Prozent der Käufer von Hybrid-Pkw und 59 Prozent der Käufer von reinen Elektroautos diese als zusätzlichen Pkw nutzen. Dies bedeutet zusätzlichen Ressourceneinsatz und verschärft das Stellplatzproblem in den Städten.3

Elektroautos schädigen den Öffentlichen Verkehr. In Norwegen ergab sich durch den Kauf eines Elektroautos eine Verlagerung vom Öffentlichen Verkehr zum individuellen Autoverkehr. Im Jahr 2015 nutzten vor dem Kauf eines Elektroautos 65 Prozent einen Pkw und 23 Prozent den ÖPNV; nach dem Kauf stieg die Pkw-Nutzung auf 83 Prozent, die Nutzung des ÖPNV fiel auf 4 Prozent. Der Rückgang betrug 82 Prozent.4

Mehr Heizen nach Sanierung. Wenn Wohnräume oder Gebäude energetisch saniert werden, wird oft mehr geheizt als in unrenovierten Räumen. Herbert Dannecker ist Vorstand des Deutschen Energieberater-Netzwerkes DEN, berichtet über diesen Rebound-Effekt: Haushalte in unsanierten Gebäuden heizen oft nur das Wohnzimmer und haben deswegen einen geringen Energieverbrauch. „Wenn nun das Haus saniert wird, heizen sie mehr Räume und dazu womöglich das Wohnzimmer auf eine höhere Temperatur. Das macht die erhofften Einsparungen zum Teil wieder zunichte.“5

Mehr Licht durch sparsame Lampen. Anfang 2009 wurden von der EU die Glühbirnen verboten und die quecksilberhaltigen „Energiesparlampen“ eingeführt. Dann kam die LED-Technik. Der Anteil der Beleuchtung in deutschen Haushalten ging von 12,2 TWh im Jahr 2008 auf gerade einmal 102 TWh zurück: Die LEDS brauchen ein Zehntel des Stroms der Glühbirne, dafür brennen sie die ganze Zeit durch (weil sie so sparsam sind), und sie brennen jetzt überall – bis hin zur nächtlichen Gartenbeleuchtung.6

Verkehr: Technische Verbesserungen durch höhere Nutzung zunichte gemacht.. Die Umweltorganisation ICCT wertete in einer neuen Studie Daten aus dem Jahr 2015 aus. Ein Ergebnis: In diesem Jahr starben um die 43.000 Menschen an den Folgen von Feinstaub und Ozon und davon 13.000 durch Emissionen aus dem Verkehrsbereich. Die technischen Verbesserungen werden wieder zunichte gemacht: „Der ICCT-Bericht warnt zudem davor, dass das zunehmende Verkehrsaufkommen die Fortschritte bei der Luftreinhaltung durch bessere Motoren, Katalysatoren und Filter wieder zunichtemachen könnten.“7

Rebound-Effekt durch autonomes Fahren. In „Wege zur Erreichung der Klimaziele 2030 im Verkehrssektor8 steht auf S. 49: „Ein hoher Automatisierungsgrad (autonomes Fahren) kann auch zu mehr Verkehr und damit mehr CO2-Emissionen führen (Rebound-Effekte), beispielsweise weil die Unterwegszeit im Pkw für andere Tätigkeiten genutzt wird und längere Pendelstrecken in Kauf genommen werden. Ferner birgt automatisiertes und vernetztes Fahren das Potenzial zur deutlichen Veränderung der Vollkosten im kommerziellen Verkehr, sodass nach ersten Schätzungen die Attraktivität des Verkehrsträgers Straße steigt und dadurch der Modal-anteil zusätzlich wachsen kann. Hier bedarf es angepassten Rahmenbedingungen, um nicht mehr Verkehre auf der Straße zu erzeugen.“ (Hervorhebung WZ)

Vier Rebound-Effekte. Winfried Wolf zählt in seinem Buch Mit dem Elektroauto in die Sackgasse vier Rebound- oder Bumerang-Effekte auf. Finanzieller Rebound: Die Fahrten mit dem Elektroauto nehmen zu, weil die Fahrten mit dem subventionierten E-Auto günstiger sind im Vergleich zu fossil betriebenen Pkw. Funktionaler Rebound: Die Elektroautos fördern den Trend zu Zweit- und Drittfahrzeugen. Mentaler Rebound: Der ÖPNV verliert Kunden an die Elektromobilität. Regulatorischer Rebound: Da Elektroautos als Null-Emissionsautos gewertet werden, verlängern sie den SUV-Boom.9

Weitere Beispiele für den Rebound-Effekt. LED-Fernseher verbrauchen weniger Strom im Vergleich zu den älteren Röhren-Geräten: Gleichzeitig steigen die Größe ihrer Bildschirme und die Zahl ihrer Exemplare im Haushalt ständig. Heutige Automotoren wären grundsätzlich sparsamer im Verbrauch als früher, wenn nicht permanent die Leistung, das Gewicht und die Höchstgeschwindigkeit steigen würden. 10

Mit Rebound zum SUV. Da viele Autokäufer die Verbrauchszahlen beachten, soll der Neuwagen weniger verbrauchen als der alte: Das wissen die Hersteller und heben in ihren Inseraten die angeblich geringeren Verbrauchswerte hervor. Der Direktor des in Potsdam, Ortwin Renn, beschreibt den Mechanismus wie folgt: „Viele Autofahrer glauben, sie könnten sich deshalb einen größeren Wagen gönnen, weil sie mit dem neuen doch weniger Sprit benötigen… Wer einen Mercedes-Kombi gefahren hat, greift auf einmal zum SUV.“11

Mit der Digitalisierung zur Energieeinsparung? Die globale Digitalisierung produziert durch unzählige und riesige Rechenzentren und Serverfarmen bereits jetzt vier Prozent an allen anthropogenen Klimaemissionen; bis 2025 könnten dies bis zu acht Prozent werden. „Zum Vergleich: Der weltweite Flugverkehr trägt laut einer Studie im New Scientist fünf Prozent zur globalen Erwärmung bei.“12 Laut IT-Konzern Cisco werden sich die Datenmengen von 2019 bis 2022 verdoppeln. Diese werden in den Rechenzentren der Cloud-Computer-Dienstleister verarbeitet. „Die Cloud braucht Hardware – Hallen, Generatoren, Kühlsysteme, Wachschutz.“12 Deshalb benötigt die Cloud 20 Prozent des digitalen Energieverbrauchs, ebenso wie die internetfähigen Endgeräte.
Über die Konsequenzen dieser Entwicklung – auch in Bezug auf die Klimakatastrophe -, gibt es keine öffentliche Diskussion, im Gegenteil: Fast alle Politiker fast aller Parteien beten das Mantra der dringend nötigen Digitalisierung, des 5G-Netzes, der Glasfaser-Verkabelung. Das Smart Home wird in höchsten Tönen gepriesen, dabei ist zu erwarten, dass potentiell mögliche Energieeinsparungen lächerlich sind durch die hierfür nötige digitale Infrastruktur mit dem entsprechenden Energieverbrauch. Hier setzt wieder der Rebound-Effekt ein: „Effizienzgewinne neuer Technologien führen in aller Regel nicht zu sinkendem Ressourcenverbrauch, sondern meist zu einem höheren. Beispiel: Zwar verbrauchen Pkw ihren Treibstoff immer effizienter, dafür fahren heute mehr Menschen große Autos.“12

„Rebound-Effekte der Elektromobilität“. Dominique Just schrieb in ihrem Beitrag für Robin Wood: Klimaschutzeffekte können durch die politische Förderung von Elektroautos zunichte gemacht werden. In Norwegen hat durch die Elektroautos der Anteil der Arbeitswege mit dem ÖPNV um durchschnittlich 82 Prozent abgenommen. „Dies ist vor allem auf einen mentalen Rebound-Effekt zurückzuführen: Als vermeintliche ‚Null-Emissions-Fahrzeuge‘ versprechen E-Autos ein grünes Gewissen – und der Anteil der  zurückgelegten Fahrten mit dem eigenen Auto nimmt paradoxerweise zu.“13

Steigende Reichweiten als Rebound-Effekt. Bei der Herstellung der Batteriesätze sind Energieeinsparungen zu erwarten: Eine Klimawirkung der Batterieherstellung könnte halbiert werden. „Steigt die mittlere Reichweite von Elektroautos von heute gut 30 kWh auf von Experten erwartete 60 kWh, würden die Fortschritte bei den Herstellungsprozessen dadurch weitgehend kompensiert.“14

  1. Gruppe emeritierter Verkehrsprofessoren Deutschlands und Österreichs Elektromobilität: Macht der Wandel des Fahrzeugantriebs den Verkehr umweltfreundlich?, Berlin/Wien, 14.11.2017 []
  2. Schrader, Christopher, So öko sind Elektroautos wirklich, in spektrum.de 3.11.2017; vgl. auch Schrader, Christopher, Die Ökobilanz der E-Mobilität, in Spektrum der Wissenschaft 5.18 []
  3. Umwelt- und Prognose-Institut e.V., Heidelberg, Ökologische Folgen von Elektroautos – Ist die staatliche Förderung von Elektro-und Hybridautos sinnvoll? Dieter Teufel, Sabine Arnold, Petra Bauer, Thomas Schwarz, UPI-Bericht Nr. 79, August 2015, 2. aktualisierte Auflage August 2017; hier; Kurzfassung hier; Zitat S. 3 []
  4. Umwelt- und Prognose-Institut e.V., Heidelberg, Ökologische Folgen von Elektroautos – Ist die staatliche Förderung von Elektro-und Hybridautos sinnvoll? Dieter Teufel, Sabine Arnold, Petra Bauer, Thomas Schwarz, UPI-Bericht Nr. 79, August 2015, 2. aktualisierte Auflage August 2017; hier; Kurzfassung hier; Zitat S. 3f []
  5. Diermann, Ralph, Der fatale Hang zum Komfort, in S  7.9.2018 []
  6. Bauchmüller, Michael, Auf die Birne, in SZ 16.2.2019 []
  7. Charisius, Hanno, Gift aus dem Auspuff, in SZ 28.2.2019 []
  8. Arbeitsgruppe 1 Klimaschutz im Verkehr, Hrsg. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin, März 2019 []
  9. Wolf, Winfried, Mit dem Elektroauto in die Sackgasse, Wien 2019, S. 104ff []
  10. Fröhlich, Martina, Tut ja nicht mehr weh, in SZ 7.5.2019 []
  11. Feldenkirchen, Markus, Hage, Simon, Hesse, Martin, Medick, Veit, Neukirch, Ralf, Traufetter, Gerald, Wassermann, Andreas, Die große Heuchelei, in Der Spiegel 38/14.9.2019 []
  12. Schlegel, Michael, Smart, aber dreckig, in Die Zeit 27.12.2019 [] [] []
  13. Just, Dominique, Energiewende im Verkehr, in Robin Wood 2/2020 []
  14. Agora Verkehrswende und IFEU Heidelberg, Klimabilanz von Elektroautos, Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial, Berlin, 2. Auflage Mai 2019, S. 58 []
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