Elektroauto Chronik eines Irrtums

Recycling

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Aktualisiert 21.6.2020

Vorbemerkung zum Akku-Recycling
Da die Akkuhersteller ihre spezielle Rezeptur als streng geheim deklarieren, ist es sehr schwer, an Informationen über die Verfahrensweisen beim Recycling zu kommen. Dabei werden mit Sicherheit giftige Nebenprodukte entstehen – neben einem hohen Energieverbrauch. Zum Teil werden die Akkus auch ganz bewusst als „Einweg-Varianten“ produziert, siehe unten. Und bei den eingebauten Mengen – ein Tesla Model S soll etwa 50 Kilogramm Lithium und 67 Kilogramm Kobalt an Bord haben -, kann man sich die Probleme vorstellen.
Schon 2011 hieß es in einem Artikel von zeozwei: „Recyclingkonzepte fehlen. Noch ist unklar, was mit den ausrangierten Akkus geschehen wird. Ab 2015 müssen 95 Prozent eines Autos recycelbar sein.“1
Gut vorstellbar ist, wie die ausgemusterten Elektroauto-Akkus demnächst auf irgendeiner afrikanischen Mülldeponie vor sich hinrosten – wie schon so vieles, siehe den Elektro- und Elektronik-Schrott aus Europa und die Bleibatterien (siehe unter Blei).

Recycling allgemein

Öko-Probleme andernorts. PSA-Chef Carlos Tavares wies im SZ-Interview im November 2017 auf Ökoprobleme beim Elektroauto hin: „Es wird vernachlässigt, dass E-Autos auch an anderen Stellen gravierend auf das Ökosystem einwirken. Wie entsteht denn der Strom? Die Batterie ist weiter ein Problem. Ihre Herstellung kostet sehr viel Energie, und wenn dafür Lithium abgebaut wird, entsteht sehr viel giftiges Abwasser, das dem Planeten schadet. Auch das Recycling-Problem ist noch nicht gelöst. Über diese Fragen wird viel zu wenig gesprochen. (…) Nein, es geht darum, dass wir durch die E-Mobilität neue Umweltprobleme bekommen, dessen müssen wir uns bewusst sein!“2

Herstellung und Betrieb. Eine Studie, die das Fraunhofer-Institut für Bauphysik im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums befasste sich mit der Klimabilanz der Elektroautos und eine umfassende Ökobilanz. Ein Ergebnis war, dass bei der Produktion eines Elektroautos 60 Prozent mehr CO2-Emissionen im Vergleich zu fossil betriebenen Autos anfallen.3
Dazu werden viele der für die Lithium-Ionen-Akkus benötigten Rohstoffe unter problematischen Bedingungen gewonnen. Kobalt zum Beispiel kommt vor allem aus dem Südsudan, wo Krieg, Ausbeutung und Kinderarbeit herrschen. Oder Lithium, das unter Verdunstung gewonnen wird – oft in Dürregebieten wie der Atacama-Wüste.
Dazu das Seltenerdmetall Neodym, das Magneten noch magnetischer macht. Diese Eigenschaft macht den Rohstoff für die Hersteller von Elektroautos unentbehrlich. Gefördert wird Neodym in China, wie etwa 90 Prozent aller Seltenen Erden. Abbau und Aufbereitung gelten als sehr umweltschädlich, weil radioaktive Abfallprodukte entstehen. (…) Nicht nur das Innenleben der Elektroautos schadet der Umwelt. Auch die Leichtbau-Karosserien sind in der Nutzung umweltfreundlich, in der Herstellung aber ein Problem. Denn meistens bestehen sie aus Aluminium. Die Gewinnung des Leichtmetalls aus dem Erz Bauxit ist extrem energieintensiv. Zurück bleibt mit Schwermetallen und Natronlauge versetzter Rotschlamm.“4

Batterie-Lebenszeit und –Recycling. An der TU Braunschweig wird unter Leitung von Arno Kwade nach geeigneten Recycling-Verfahren gesucht. „Kwade hat das Ziel, den perfekten Kreislauf zu finden, um die Inhaltsstoffe mit wenig Energie möglichst rein zurückzugewinnen und wiederzuverwerten. Die Batterie wird zerlegt – großenteils händisch, was in Deutschland nur Elektrofachkräften erlaubt ist – und tiefentladen, durch Einfrieren auf minus 65 Grad Celsius. Im nächsten Schritt werden die Zellen zerkleinert, Stoffe wie Kupfer oder Aluminium herausgetrennt und in ein Pulver verwandelt, wie es Kwade in der Hand hält. Dann werden mittels chemischer Prozesse wie Laugen und Fällen möglichst reines Kobalt, Nickel oder Lithium gewonnen – die Substanzen, aus denen wiederum eine neue Zelle gebaut werden kann. Am kostbarsten ist Kobalt. Die 67 Kilo, die in den Zellen eines Tesla Roadster stecken, sind mehr als 2000 Dollar wert. Lohnen wird sich das Recycling allerdings erst, wenn es in großem Stil geschieht; nach Schätzung der Braunschweiger Forscher könnte die Gewinnschwelle in zehn Jahren überschritten sein, wenn jährlich 4200 Tonnen Batteriematerial verarbeitet werden. Mit jeder Tonne recycelter Batterien verringerten sich die Treibhausgasemissionen um rund eine Tonne.“5

EU-Regelung erwünscht. Die Europäische Kommission forciert seit längerem in Europa eine Akku-Fertigung für Elektroautos. EU-Vizekommissar Maroš Šefčovič stellte im Mai 2018 einen Aktionsplan der EU-Kommission vor: Entwicklung und Bau der Akkus sollen firmen- und länderübergreifend erfolgen. „Es sollen auch verstärkt Rohstoffe außerhalb der EU gesichert werden sowie mehr Rohmaterial in der EU direkt gefördert werden. So etwa Lithium in Portugal und Irland oder Kobalt in der Slowakei und Finnland. Insgesamt sollen europäische Akkus besonders nachhaltig und ökologisch hergestellt werden, einschließlich eines bedachten Recyclings.“6

124.000 VW-Elektroautos mit Cadmium verunreinigt. Ein Vorfall vom Juli 2018 zeigt die Schwierigkeit des Einsatzes verunreinigter Rohstoffe. VW muss eventuell 124.000 Elektro- und Hybridautos der Marken VW, Audi und Porsche zurückrufen. VW hat am 20.7.2018 das Kraftfahrtbundesamt über den Vorfall informiert, der das spätere Recycling der Elektro- und Hybridautos betrifft. „Bei Werkstoffanalysen des in einem Ladegerät enthaltenen Relais war festgestellt worden, dass das entsprechende Bauteil neben Silber pro Gerät auch 0,008 Gramm des giftigen Schwermetalls Cadmium enthalte. Die vom Zulieferer eingereichten Materialdaten hätten keine Angaben über die Cadmium-Verwendung enthalten.“7

Die Redux-Manufaktur. Der Spiegel-Beitrag „Graue Zelle“ von Alexander Jung im März 2019 beschäftigte sich mit dem Recycling-Problem der Elektroauto-Akkus. Die Bremer Recyclingfirma Redux recycelt pro Jahr mit hochautomatisierten Prozessen etwa 25.000 Tonnen Gerätebatterien. Der Redux-Geschäftsführer Holger Kuhlmann konstatierte, dass bisher die Akkus von Elektroautos selten hereinkämen. Deshalb werden nun in einer Art Pre-Testverfahren die Lithium-Ionen-Akkus händisch auseinandergenommen.8 Neben Redux gibt es Umicore in Hoboken bei Antwerpen, der seit 2011 Lithium-Ionen-Akkus verwertet, dazu gründen sich Start-ups.
Die Anlieferung der Elektroauto-Akkus wird in jedem Fall kommen. So können in einem Tesla Model S über 500 kg Akkus verbaut sein – „mit den Rohstoffen Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Mangan, Grafit, auch seltene Erden“8
Eine neue Anlage von Redux nutzt für die Materialtrennung die Erhitzung und auch die mechanische Trennung, da die Bestandteile unterschiedliche Sinkgeschwindigkeiten haben. „Die Maschine ist  40 Tonnen schwer und groß wie ein Bungalow. Kuhlmann will dort künftig bis zu 10.000 Tonnen im Jahr  zerkleinern und sortieren.“8
Die Recycling-Quote ist auch von den Rohstoff-Preisen abhängig: „Der Preis für Kobalt ist seit dem Sommer um rund die Hälfte gefallen. Und Lithium, das aus chilenioschen oder australischen Bergwerken stammt, ist deutlich billiger als Ware aus zweiter Hand.“8

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Die verschiedenen Fraktionen: Blei, Carbon, Kobalt, Lithium, Lithium-Ionen-Akku, Seltene Erden

Blei

Intro: Das traurige Kapitel Blei-Recycling in Afrika ist hat nur indirekt mit dem Elektroauto zu tun-. Es zeigt in jedem Fall. was alles falsch laufen kann – auch beim Thema Lithium-Ionen-Akku.9
Im Süden Nigerias recycelt die Firma Everest Metal Nigeria Limited in der Nähe des Dorfes Ipetoro Schrott, hauptsächlich von alten Blei-Autobatterien. Everest ist Teil des indischen Großkonzerns Kejriwal-Gruppe und liefert an die britische Firma WITL, die wiederum pro Monat bis zu 1200 Tonnen an europäische und asiatische Firmen liefert. Kunde ist u. a. die deutsche Firma Weser-Metall mit Sitz in Nordenham, die wiederum Johnson Controls beliefert. „Und Johnson Controls beliefert VW, BMW, Daimler und so gut wie alle europäischen Hersteller. in 85 Prozent der europäischen Neuwagen ist eine Batterie von Johnson Controls.“
Elf Millionen Tonnen Blei werden weltweit pro Jahr benötigt, davon über 50 Prozent über Recycling. Ende 2018 kostete ein Kilo Blei an der Londoner Metallbörse 1,90 Euro. „Ein Kilo gebrauchte Autobatterien kostet in Nigeria rund 78 Cent. Viel teurer darf das Recycling da nicht sein.“ Deshalb gibt es bei Everest keine Atemmasken, keine Handschuhe, keine Schutzkleidung, keine Visiere. Das giftige Blei versickert im Boden und verseucht das Wasser.
Das Team der nigerianischen Umweltgruppe Sradev hat in der Nähe des Bleirecyclings Bodenproben genommen. In Deutschland liegt der Grenzwert bei 400 Mikrogramm Blei pro Kilo. „In Ipetoro wurden 320, 1900, 2700 und 130.000 Milligramm pro Kilo gemessen.“ Bei Blutproben von 40 Freiwilligen überschritten 39 die Grenzwerte der WHO, die die Werte von über 10 Mikrogramm (μ) je Deziliter Blut als Bleivergiftung bezeichnet. „Je näher einer an der Fabrik wohnt, desto höher sind seine Werte.“ Die hier gemessenen Werte lagen u. a. bei 10,9. 14, 21,1 21,6, 27 μg. Die Blutproben von fünf Fabrikarbeitern hatten 21,8, 32, 38,1, 41,4 und 42,3 μg. „Sie berichteten von Kopfschmerzen, Husten, Schwindel, Anämie.“
Deshalb habe ich in der Vorbemerkung geschrieben: Gut vorstellbar ist, wie die ausgemusterten Elektroauto-Akkus demnächst auf irgendeiner afrikanischen Mülldeponie vor sich hinrosten – wie schon so vieles, siehe den Elektro- und Elektronik-Schrott aus Europa und die Bleibatterien.
Eine logische Konsequenz des Blei-Umweltskandals: 400 Kilometer von Ipetoro gibt es die Recyclinganlage der Firma Union Autoparts, Teil der Ibeto-Gruppe: Hier gibt es die ganze Umwelttechnologie für die Recyclingprozesse – von Abzugshauben, Filtern, Auffangbecken etc. „Union Autoparts könnte 2,4 Millionen Autobatterien jährlich recyceln. Doch die Anlage steht seit September (20918; WZ) still. Es fehlen die Autobatterien. Der Einkaufspreis ist zu hoch.“ Und so machen Firmen wie Everest Metal Nigeria Limited das  Geschäft, weil sie sämtliche Umweltstandards unterlaufen und ignorieren.

Carbon

Der Automobilexperte Wolfgang Bernhart von Roland Berger im Juli 2011 zum Carbon-Recycling: „Es gibt Themen, die noch nicht vollständig geklärt sind – zum Beispiel die Frage nach dem Recycling des Materials.“10

MAI Recycling. Carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) werden wegen ihres Leichtbaupotenzials in immer größeren Mengen eingesetzt. Die CFK-Werkstoffe „liegen zum Teil als Monofraktionen, als gemischte Abfälle oder als Mischmaterial mit Glasfasern und/oder Metalleinlagen vor. Eine automatisierbare Recycling-Prozesskette, die alle notwendigen Verfahrensschritte, wie die Demontage, Sortierung und eventuelle Zerkleinerung der anfallenden CFK-Teile sowie die Freilegung, Aufbereitung und Wiederverwendung der Carbonfasern in einer Größenordnung von mehreren tausend Jahrestonnen und darüber umfasst, ist nicht verfügbar.“11
„Ziel des Leitprojekts MAI Recycling ist es daher, eine durchgehende Recycling-Prozesskette ausgehend vom Produktionsausschuss bzw. von Mischmaterialien bis hin zur aufbereiteten Carbonfaser, die für die Weiterverwendung in unterschiedlichen Produkten geeignet ist, aufzubauen. Dazu sollen im Rahmen des Vorhabens verschiedene Verfahren, wie beispielsweise die Aufspaltung bei hohen Temperaturen (Pyrolyse) als mögliche Recyclingverfahren eingesetzt, näher untersucht und optimiert werden. Anschließend wird die recycelte C-Faser hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften untersucht, klassifiziert und aufbereitet, wofür Methoden zur Qualitätssicherung innerhalb des Vorhabens entwickelt werden. Für die recycelten Carbonfasern gilt es, Anwendungen in Produkten zu realisieren die sowohl eine hohe ökologische als auch ökonomische Wertschöpfung erbringen. Das Vorhaben trägt damit wesentlich dazu bei, die Qualität der Recyclingprodukte zu verbessern und langfristig Recycling-Prozesse zu industrialisieren.“11
– „MAI steht für München-Augsburg-Ingolstadt und ist ein Zusammenschluss von Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstituten. BMW, Audi, EADS, Voith und der Carbon-Hersteller SGL sind führend, die TU München ist beteiligt, auch die Uni Augsburg und etwa 80 weitere Partner. Sie arbeiten daran, Carbon-Produkte serienreif – und damit billiger – zu machen, und werden dafür vom Bund fünf Jahre lang mit 40 Millionen Euro gefördert. Die gleiche Summe investieren sie selbst.“12

3000 Tonnen Carbon-Abfall pro Jahr in Europa. Obwohl Carbon sehr teuer ist, wird der Ausgangsstoff schlecht genutzt. „Mit 10 % bis 30 % Produktionsabfall, ‚eher aber 30 %‘, rechnet Tim Rademacker, Geschäftsführer bei CFK Valley Stade Recycling in Wischhafen. Er leitet die großindustrielle Recyclinganlage für Carbonmaterialien – eine von wenigen in Europa. Den europäischen Abfallstrom beziffert er mit jährlich 3000 t. (…)Die Aufbereiter bedienen einen wachsenden Markt. Denn mit der Zeit gesellen sich zu den klassischen Produktionsabfällen – wie Verschnitt und Fehlchargen – auch immer mehr End-of-life-Teile, also Bauteile, die am Ende ihres Lebenszyklus abgelegt werden. Vor allem Flugzeugbetreiber, aber zunehmend auch die Automobil- und Windindustrie liefern solches Material. Zudem verordnen Bundes- und Europapolitiker den Unternehmen Recyclingquoten, die es einzuhalten gilt. ‚Die Automobilindustrie muss 85 % Recyclingquote erfüllen, ab 2013 sogar 95 %‘, sagt Rademacker. Hier seien solche Recyclingunternehmen im Vorteil, die nach Entsorgungsrichtlinie zertifiziert sind.13

Der Carbon-Recycling-Prozess. „Der Carbonschrott muss zuerst in die Recyclinganlage transportiert werden. Dann wird das CFK-Material von Fremdstoffen getrennt und in einem Schredder zerkleinert und nach Harzgehalt getrennt. ‚Schließlich gelangt das CFK-Material in das Herzstück der Anlage – den Pyrolyseofen. Hier verbrennt das Material bei Temperaturen von rund 1000 °C unter Ausschluss von Sauerstoff. Alle Komponenten außer der reinen Kohlenstofffaser – etwa Harze und Lacke – verlassen den Prozess als Pyrolysegase und durchlaufen anschließend eine thermische Nachbearbeitung‘, erklärt Rademacker. ‚Dort verbrennen die Gase bei höheren Temperaturen exotherm.‘ Die daraus entstehende Wärmeenergie – etwa 36 MJ – werde dem Pyrolyseprozess zugeführt. Auf diese Weise werde die Matrix der Verbundwerkstoffe thermisch verwertet. (…) Das Produkt des Prozesses ist eine reine Kohlenstofffaser – auf Kundenwunsch beschichtet. Ihr Durchmesser ist derselbe wie der der angelieferten ‚Schrott‘-Faser. (…) Für Strukturbauteile eignet sich das Produkt laut dem Recyclingexperten dennoch nicht. Eine Neufaser aus der Endlosherstellung sei bei den Anwendern das Material der Wahl. Die Faser aus dem Wischhafener Werk hingegen ist höchstens so lang wie die Faser vor dem Recycling. Die Wiederaufbereiter stellen daraus Vliese her, also textile Strukturen.“14
Aus dem äußerst energieintensiven, mit hohem Arbeits- und Transportaufwand gewonnenen Edelmaterial Carbon wird ein simpler Vliesstoff.

Verschimmeln, verbrennen, elektrisch zerlegen. Forscher der Hohenstein-Institute in Bönnigheim bei Heilbronn „wollen mit Schimmelpilzen Kunststoffe recyceln, die mit Karbonfaser verstärkt wurden. Diese Materialien gelten als Werkstoff der Zukunft, da sie halb so schwer wie Stahl, aber fester sind. Bisher lassen sich die Kohlenstofffaserverbundstoffe (CFK) aber nur mit viel Aufwand wiederverwenden.
Dabei wird das Material schon lange in Flugzeugen, Tennisschlägern und Edelfahrrädern verbaut, zunehmend aber auch in Elektroautos und Windradflügeln. Branchenexperten sagen dem Stoff steile Wachstumskurven voraus. Doch was aus den Abfällen wird, ist bisher unklar. Das VDI-Zentrum Ressourceneffizienz in Berlin hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums vergangenen Monat eine Bestandsaufnahme zum Thema vorgelegt. Eine befriedigende Lösung der Müllproblematik ist demnach nicht in Sicht.“15

Carbon-Pyrolyse. Die Carbon-Pyrolyse war 2015 das entwickeltste Recyclingverfahren und bereits in der industriellen Anwendung. „In Wischhafen etwa betreibt die Firma CFK Recycling Stade eine Pyrolyseanlage mit einer Kapazität von 1000 Tonnen pro Jahr. Es ist die einzige Anlage in Deutschland, weltweit gibt es nur einige weitere. In haushohen Öfen werden hier seit 2011 unter anderem Fahrradrahmen, Autodächer und Landeklappen aus Karbon zerkleinert und auf bis zu 1100 Grad Celsius erhitzt. Der Kunststoff zersetzt sich dabei in Gase, die Fasern bleiben zurück. ‚Die Pyrolysegase verbrennen wir und können so einen Großteil des Wärmebedarfs für den Prozess decken‘, sagt Geschäftsführer Tim Rademacker. (…) In Kunststoff gebettet sollen die Vliese genauso fest sein wie neuwertiges Karbonmaterial. Dennoch gibt es Unterschiede. Während bei der Erstproduktion eine Endloskohlenstofffaser wie ein Weidezaun rechtwinklig verwoben wird, liegen die kürzeren Fasern im Recyclingvlies wirr in alle Richtungen verstreut. ‚Das verändert die statischen Eigenschaften‘, räumt Rademacker ein. Ingenieure müssten bei der Planung neuer Produkte umdenken.“15
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik experimentieren mit der elektrodynamischen Fragmentierung: Hier wird Karbon unter Wasser unter Hochspannung gesetzt, welche die Verbindung Faser und Kunststoff löst. Das entstehende Wasser-Kunststoff-Gemisch muss entsorgt oder weiterbehandelt werden.“ Ebenfalls noch zu teuer ist die Solvolyse, ein Verfahren, an dem Siemens arbeitet. Dabei wird der Kunststoff in 200 Grad heißes Wasser getaucht und unter Druck gesetzt.“15

CFK lässt sich aufgrund des Kohlenstoffgehaltes nicht deponieren. Aufgrund der Stabilität der Faser kann es auch nicht in herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden. Je nachdem, wie und wo der Werkstoff eingesetzt wird, kann er jedoch ökologisch nachhaltig sein. Selbst ohne Recycling gelingt es bereits heute, durch neue Technologien und Energieerzeugung, die CO₂-Bilanz von CFK positiv darzustellen. Berücksichtigt man zukünftig das Recycling, wird diese Tendenz noch verstärkt.“16

Kobalt

Das Freiburger Ökoinstitut empfahl bereits 2011 in einer Studie, die Recycling-Forschung zu intensivieren und bindende Standards für die Industrie einzuführen. „Die Studie geht davon aus, dass der Kobaltbedarf 2030 bereits bis zu 260.000 Tonnen beträgt und bis 2050 auf bis zu 800.000 Tonnen steigen kann – abhängig davon, wie sich die Batterietechnologie weiterentwickelt. Kobalt werde bereits recht gut recycelt, insbesondere aus Katalysatoren und Superlegierungen, aber auch aus Batterien. 2050 könnte rund 40 Prozent des Kobaltbedarfs aus Recycling stammen. Auch hier sei der Haupttreiber die Elektromobilität. (…) Gerade die Kobaltförderung sei wegen der Menschenrechtsverletzungen im Kongo eine Herausforderung, so die Autoren der Studie.“17

Lithium

Lithium-Recycling. Das Lithium-Recycling wird derzeit kaum praktiziert und für die Industrie erst interessant, wenn der Rohstoff teurer wird. „Noch ist es aufwendig und teuer, Lithium zu recyceln, doch das ist relativ. Ab einem gewissen Marktpreis rechnet es sich. (…) Die Aalener Forscherin Goll rechnet damit, dass 2030 zehn Prozent des benötigten Lithiums aus Batterien recycelt werden kann, 2050 gar 40 Prozent. Auch angesichts der sozialen und der ökologischen Folgen des Abbaus sei es wichtig, in entsprechende Entwicklung zu investieren, so Goll: ‚Man kann den Abbau nicht von heute auf morgen verzehnfachen.‘“18

Recycling kommt erst noch. „Lithium ist von Haus aus kein seltenes Metall, viele neue Förderprojekte tragen dazu bei, dass immer mehr Ware auf den Markt geworfen wird. Zudem steigt die Produktivität der Batterien, sie benötigen also für dieselbe Leistung weniger Rohstoff. Und dass Lithiumbatterien in Zukunft wohl ebenso recycelt werden wie heute Bleiakkus, wird die Nachfrage zusätzlich dämpfen.“19

Lithium-Ionen-Akku

Die Chancen neuer Batterien sind limitiert. Prof. Martin Winter von der Universität Münster in der SZ: „Es gibt einen limitierenden Faktor, der die enorme Differenz der Energieinhalte von Benzin und Batterien erklärt. Im Verbrennungsmotor findet eine Einwegreaktion statt – die Abgase werden einfach ausgestoßen, ohne Rücksicht auf die Umwelt. In Akkumulatoren lagern sich die Verbrennungsprodukte jedoch an und können in jedem Ladezyklus größtenteils durch Aufladung ‚recycelt‘ werden. Um dieses aufwendige interne Recycling zu vermeiden, sind viele kommerzielle Batterien nur als Einwegvariante ausgelegt.“20
„Nissan, Produzent des weltweit meistverkauften E-Automodells Leaf, hat in Japan eine eigene Anlage zum Recyceln von Lithium-Ionen-Akkus gebaut.“8 Aber es geht nicht nur um E-Autos, sondern auch um viele andere Geräte und Maschinen, die Lithium-Ionen-Akkus enthalten, z. B. E-Bikes, von denen 2018 fast 900.000 verkauft wurden.

Seltene Erden

Hohe Preise, kaum Recycling. „Bei Magnetwerkstoffen wie Seltenen Erden liegt die Recyclingquote aber nur bei rund einem Prozent; die Preise schwanken daher bedenklich. Diese Erfahrung musste BMW 2013/14 machen. ‚Wir wurden von den Seltene-Erden-Preisen sehr gebeutelt‘, berichtet Stefan Juraschek.21

Lithium-Ionen-Akkus: Mehr Recycling angestrebt. Der Partner der Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors, Andreas Radics, fordert: „Wenn das E-Auto zur Lösung unserer Umweltprobleme beitragen soll, muss das Thema Recycling schleunigst auf die Tagesordnung der Entsorgungsunternehmen, aber vor allem auf die der Politik.“22 Bisher wird das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus durch Bestimmungen aus dem Jahr 2006 geregelt, als die massenhafte Verbreitung dieser Akkus gerade am Anlaufen war. Vorgesehen ist eine Recyclingquote von gerade einmal 50 Prozent. Nun will im Oktober 2020 die EU neue Richtlinien erlassen. Durch neue, nichtthermische Trennverfahren sollen z. B. bei Nickel und Kupfer Recyclingquoten von über 90 Prozent erreicht werden. Das hat aber ökonomische Grenzen. Bei einem kleinen Elektroauto mit einem 50-kWh-Akkusatz sind etwa 5,5 Kilogramm Lithium verbaut, die einen Materialwert von 250 Euro haben. Andreas Radics: „Es gehört zur bitteren Realität, dass sich die Materialrückgewinnung trotz steigender Rohstoffpreise nicht lohnt. Die Förderung von Lithium oder Kobalt uist derzeit einfach billiger.“22

Neue Trennverfahren. Bei Trennverfahren der Firma Duesenberg aus Niedersachsen werden die Batteriezellen mechanisch zerkleinert. Der flüssige Elektrolyt wird zurückgewonnen, das verbleibende Granulat mit chemischen Prozessen weiter aufgetrennt, sodass Kobalt, Nickel, Lithium, Mangan und Grafit recycelt werden können. Das Hanauer Fraunhofer IWKS (Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie) entwickelt ein elektrohydraulisches Trennverfahren: Die Batteriezellen werden in einem Wasserbecken Elektroschocks ausgesetzt, wodurch sich die verschiedenen Materialien trennen lassen. Die Volkswagen AG will 2020 im Werk Salzgitter eine Pilot-Recyclinganlage in Betrieb nehmen, die pro Jahr 1200 Elektroautos verarbeiten soll.22

  1. Franken, Marcus, Jensen, Annette, Kriener, Manfred, Trechow, Peter, Die große Elektro-Show, in zeozwei 01.2011, S. 21 []
  2. Hägler, Max, Klimm, Leo, „Nur okay sein ist gefährlich“, in SZ 18.11.2017; Hervorhebung WZ []
  3. Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP), Stuttgart: – Held, Martin u. a., Schlussbericht: Bewertung der Praxistauglichkeit und Umweltperformance von Elektro-Pkw und Nutzfahrzeuge (PraxPerform E), Stuttgart 2015; – Held, Michael, Graf, Roberta, Wehner, Daniel, Eckert, Stefan, Faltenbacher, Michael, Weidner, Simone, braune, Oliver, Bewertung der Praxistauglichkeit und Umweltwirkungen von Elektrofahrzeugen. Abschlussbericht, Berlin 2016 (Abstract – Originalbeitrag nicht mehr im Netz []
  4. Tuil, Marie, Schöngerechnet, in SZ 23.11.2015 []
  5. Jung, Alexander, Warten auf Grün, in spiegel.de 28.10.2014; Hervorhebung WZ []
  6. Hägler, Max, EU-Rohstoffe für Elektroautos, in SZ 17.5.2018 []
  7. APA, Giftiges Schwermetall: VW droht Rückruf von 124.000 Elektroautos, in derstandard.at 31.7.2018; DPA: VW droht Rückruf, in SZ 1.8.2018 []
  8. Jung, Alexander, Graue Zellen, in Der Spiegel 11/9.3.2019 [] [] [] [] []
  9. Quelle und alle Zitate: Anyaogu, Isaac, Kumar, Ankush, Sorge, Petra, Vergiftetes Dorf, in Der Spiegel 51/15.12.2018 []
  10. Fromm, Thomas, Der Stoff, aus dem die Träume sind, in SZ 29.7.2011 []
  11. MAI Recycling, Projekt-Laufzeit 1.7.2012 bis 30.6.2015, in www.carbon-composites.eu/de [] []
  12. Scherf, Martina, Der Stoff der Zukunft, in SZ 16.5.2014 []
  13. Recycling-Carbon stützt neue Technologien, in www.ingenieur.de/technik 17.8.2012 []
  14. Recycling-Carbon stützt neue Technologien, in www.ingenieur.de/technik 17.8.2012Hervorhebung WZ []
  15. Hoferichter, Andrea, Neue Faser, alte Faser, in sueddeutsche.de 17.6.2015 [] [] []
  16. Recycling von Carbon: Neue Erkenntnisse aus Augsburg in www.b4bschwaben.de 10.10.2017 []
  17. Becker, Joachim, „Das lädt natürlich zu kühnen Träumen ein“, in SZ 10.6.2011; Hervorhebung WZ []
  18. Fromm, Thomas, Der Stoff, aus dem die Träume sind, in SZ 29.7.2011; Hervorhebung WZ []
  19. Wolfangel, Eva, Fehlen die Rohstoffe für die E-Mobilität? in spektrum.de 22.11 []
  20. Jung, Alexander, Wette auf das weiße Pulver, in Der Spiegel 32/5.8.2017; Hervorhebung WZ []
  21. Becker, Joachim, Nachhilfe für Maschinenbauer, in SZ 5.5.2018; Hervorhebung WZ]

    Recycling von Lithium-Ionen-Akkus. Beim „pyrometallurgische Verfahren“ werden die Akkus in einem Hochofen aufgeschmolzen: Kobalt und Nickel können zurückgewonnen werden, weil sie sich bei unterschiedlichen Temperaturen verflüssigen. Das Lithium bleibt zunächst in der Schlacke zurück und muss extrahiert werden. Das Verfahren ist sehr energieaufwendig und liefert nicht die reinen Ausgangsmaterialien, die für Akkus benötigt werden. Die Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategien (IWKS) arbeitet daran, die Batterien zu zerlegen: Allerdings ist die Kapazität bei Akkus aus recyceltem Material niedriger. Dazu werden die Lithium-Ionen-Akkus, die nicht mehr für den mobilen Einsatz in Elektroautos tauglich sind, zunehmend als stationäre Stromspeicher eingesetzt. ((Diermann, Ralph, Mit Recycling gegen die Rohstoffnot, in spiegel.de 19.10.2018 []

  22. Pander, Jürgen, Wertvolle Rohstoffe, in spiegel.de 19.6.2020 [] [] []
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