Elektroauto-Ausstieg: vorerst. Siemens kündigte auf seiner Webseite ein engmaschiges Netz von Stromtankstellen an. Aber aufgrund der mäßigen Entwicklung der Elektromobilität beendet Siemens sein Engagement bei Ladesäulen. „Für den Fall, dass die Verkaufszahlen von Elektroautos doch noch anziehen, ist Siemens aber gewappnet. Denn bislang ist der Ausstieg nur ein Teilrückzug: Der Konzern plane weiterhin kabellose Stationen zu entwickeln, bei denen die Autos per Induktion beladen werden – statt durch ein Kabel fließt die Energie über ein elektromagnetisches Wechselfeld in die Batterien des Autos, heißt es bei Siemens. Auch für den Heimbedarf, etwa um nachts die Akkus des Elektroautos in der Garage wieder zu befüllen, wird das Unternehmen weiterhin Geräte anbieten. Die Ingenieure nennen sie schlicht Wallboxes – Wandkästen.“1
Elektrischer Terrainverlust. Ende 2012 gab es rund 6000 Patentanmeldungen auf dem Gebiet der Elektromobilität: 40 Prozent kamen von den Autokonzernen, die restlichen von IT-Konzernen und Zulieferern. „Die großen Autohersteller haben das verstanden und melden immer mehr eigene Technologien für die alternativen Antriebe an. Während die Anzahl neuer Patente bei konventionellen Antrieben in den vergangenen sechs Jahren um fünf Prozent zurückgegangen sei, seien die für Elektroautos um 125 Prozent gestiegen, rechnet das ‚Center of Automotive Management‘ in Bergisch Gladbach vor.“2
BMW-Chef: „kein Realismus“. Norbert Reithofer kritisierte die Pläne der EU zu CO2-Grenzwerten. Den Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Jahr 2020 hält er angesichts des Flottenverbrauchs der deutschen Autokonzerne für schwer erreichbar. Gänzlich unrealistisch hält Reithofer die für 2025 geplanten Grenzwerte von 68 bis 78 Gramm CO2: Dies entspricht einem Verbrauch von etwa drei Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer und sei technisch nicht machbar. „Wer so etwas fordert, will nur noch kleine Einheitsautos haben. (…) Die 95 Gramm sind für den einen oder anderen mit normalen Verbrennungsmotoren noch erreichbar, für die Premiumhersteller aber ohne Elektromobilität nicht mehr. Das Ziel von 68 bis 78 Gramm bis 2025 ist aber für keinen Hersteller so zu schaffen – jedenfalls nicht ohne erheblichen Einsatz von Nullemissionsautos. Da zucken auch meine Kollegen von den Massenherstellern.“3
Anders formuliert: Die Grenzwertreduzierung der EU ist ein Subventionsprogramm für Elektroautos – und der CO2-Ausstoß reduziert sich nur rechnerisch mit den Tricks der Super-Credits und der irrigen Annahme, dass ein Elektroauto Null CO2 emittiert.
Elektroautos ermöglichen Boliden. Die Reduzierung der CO2-Grenzwerte in der EU bedeutet, dass diese nur mit Elektromobilität zu erreichen ist. Matthias Wissmann, VDA-Präsident: „Das für 2020 geplante Ziel, dass ein Auto durchschnittlich nur noch 95 Gramm CO2 emittiert, ist nur erreichbar, wenn viele Elektroautos gekauft werden.“4
IAA 2013: Elektrische Ladenhüter. Deutsche Autokonzerne propagieren inzwischen seit vielen Jahren Elektroautos. Bei der IAA 2013 sah es aber wieder flau aus. Mercedes präsentierte zum wiederholten Mal die elektrische B-Klasse, VW den e-UP (dreifacher Preis des Benziners) und den E-Golf. Audi zielt auf Plug-in-Hybride. BMW zeigt immerhin den i3. Renault schwächelt. „Die seriennahe Studie des Renault Initiale Paris als Ausblick auf den nächsten Espace steht auf der IAA ohne Elektroantrieb. Drei Jahre hatte Renault-Chef Carlos Ghosn viel Geld in die Elektromobilität investiert. Außer beim coolen City-Gokart Twizy ist das Interesse an E-Modellen wie Renault Fluence oder Zoe aber gering. Das ist bei Konzernpartner Nissan ähnlich. Der Leaf, vor zwei Jahren üppig mit elektrischen Vorschusslorbeeren bedacht, findet ebenfalls kaum Käufer und wurde mehrfach im Preis gesenkt. Gleiches gilt für Elektromodelle wie Citroen C-Zero, Peugeot iOn oder Mitsubishi i-MIEV.“4
Apropos BMW: Leider hat sich der Autokonzern nicht um die Tatsache gekümmert, dass das energieintensive, wertvolle Carbon der Karosserie nicht recycelt werden kann, sondern „thermisch wiederverwertet“ wird – vulgo: Es wird verbrannt.
Tesla, Kalifornien. Wer kauft einen Tesla Model S, der umgerechnet 100.000 Euro kostet? „Der Durchschnittskäufer von Teslas lebt im Großraum Los Angeles, verdient angeblich 400.000 Dollar im Jahr und hat oft schon einen hochmotorigen Ferrari oder Porsche in seiner Großgarage stehen. Der Model S ist also vor allem: ein ökologisch korrektes Capriccio von meist sehr reichen Menschen.“5
Merkel beharrt auf der Million Elektroautos. Auf der IAA 2013: Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich mit BMW-Chef Norbert Reithofer vor den BMW i3. Merkel wiederholte ihren Slogan seit 2010: „Das Ziel ist und bleibt: Wir wollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße bringen.“6 Von Januar bis August wurden aber nicht einmal 3000 Elektroautos in Deutschland zugelassen (weniger als 0,2 Prozent der Neuzulassungen). Das Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) stellte auf der IAA eine Studie vor, unter welchen Bedingungen die berühmte eine Million erreichbar wäre: wenn die Batterien billiger und Benzin bzw. Diesel teurer werden. „Dann ließe sich das ‚Ziel von einer Million Autos durchaus erreichen, auch ohne Kaufanreize‘, sagt Studien-Autor Martin Wietschel vom ISI. Und wenn nicht? Wenn die Strompreise steigen, die Batterien und damit die Autos in ein paar Jahren nicht billiger sind? Dann könnten laut Studie in sieben Jahren nur 150.000 bis 200.000 Stromautos auf deutschen Straßen fahren – mehr als heute auf jeden Fall, aber dennoch: Das Millionenziel wäre weit verfehlt.“6
- Siemens gibt auf, in SZ 4.9.2013 [↩]
- Fromm, Thomas, Verlorenes Terrain, in SZ 7.9.2013 [↩]
- Fromm, Thomas, Schäfer, Ulrich, „Apple war eines unserer Vorbilder“, in SZ 9.9.2013 [↩]
- Gorhau, Sascha, Elektroautos im Rückwärtsgang, in SZ 12.9.2013 [↩] [↩]
- Fromm, Thomas, California dreamin‘, in SZ 13.9.2013 [↩]
- Fromm, Thomas, Frei parken, in SZ 17.9.2013 [↩] [↩]