Das Silicon Valley fährt Auto (1). Auf der einen Seite: die globale Autoindustrie und ihr Billionen-Markt. Auf der anderen Seite: die Internet-Riesen – mit ihren riesigen Datenspeichern. Kein Wunder, dass Google und Apple in diesen Markt drängen. „Apple holt sich seine Leute aus der alten Industrie. Anfang des Jahres warben sie den Mercedes-Chefentwickler aus den USA ab; reihenweise wechseln Ingenieure von Autozulieferern ins Silicon Valley. Geld spielt keine Rolle: Experten des Elektroauto-Pioniers Tesla soll Apple Prämien von 250.000 Dollar und eine Gehaltserhöhung von 60 Prozent für einen Jobwechsel angeboten haben. Deckname der Apple-Auto-Strategie: ‚Project Titan‘. Denkbar wäre, dass diejenigen, die schon seit Jahrzehnten Autos bauen, dies demnächst auch für Google und Apple tun.“1
Das Silicon Valley fährt Auto (2). Gerüchten zufolge will Apple bis 2019 über ein funktionierendes Elektroauto verfügen. Die Tendenz zur Elektronisierung und Digitalisierung des Autos hat die Stellung des Silicon Valley verstärkt – und der Trend zum selbstfahrenden Auto. Das Team des „Project Titan“ soll von derzeit 600 Beschäftigten verdreifacht werden. Titan verfügt über Mitarbeiter, die vorher bei Tesla und anderen Autofirmen beschäftigt waren. „Zwei der prominentesten Namen auf der Liste sind Doug Betts und Johann Jungwirth. Betts war bis zum vergangenen Jahr bei Fiat-Chrysler für die weltweite Qualitätssicherung zuständig. Jungwirth, Ex-Chef des in Kalifornien ansässigen Mercedes-Entwicklungszentrums Nordamerika, arbeitet seit September 2014 bei Apple. Sicher ist auch: Apple forscht in Sachen Elektroantrieb. Darauf weist eine Klage hin, die Ende Februar von der Firma A123 Systems eingereicht wurde. Der Hersteller von Elektroauto-Batterien wirft dem Technologiekonzern vor, seit 2014 gezielt führende Techniker für eine eigene Akkusparte abzuwerben.“2
VDA-Wissmann fordert „weitere Impulse“. Die IAA 2015 naht. „Matthias Wissmann, ehemaliger Verkehrsminister, Präsident des deutschen Herstellerverbandes VDA, forderte im Vorfeld schon mal ‚weitere Impulse‘ der Regierung für Elektroautos – gemeint sind Subventionen.“3
Was Tesla gemacht hat. „Tesla hat keine technologische Großtat vollbracht, sondern lediglich gezeigt, was passiert, wenn man den ganzen Wagenboden einer Limousine mit japanischen Standardakkus vollstopft. Das Ergebnis ist ein sehr teures und immer noch kompromissbehaftetes Auto.“1
Neues aus Norwegen. Fast 20 Prozent der Neuzulassungen in Norwegen sind Elektroautos. (Das ist angesichts der Akku-unfreundlichen niedrigen Temperaturen erstaunlich.) Die Regierung gewährte Steuervorteile und wollte zunächst als Anfangsziel 50.000 E-Autos. Diese Zahl wurde schon im April 2014 erreicht – vor allem durch die Subventionierung. Ein konventioneller Neuwagen kostet eine vom CO2-Ausstoß und Gewicht des Autos abhängige Registrierungssteuer von durchschnittlich 100.000 norwegische Kronen (rund 11.000 Euro). Diese entfällt beim Elektroauto, ebenso wie 25 Prozent Mehrwertsteuer. Damit wird ein Elektroauto häufig billiger als ein fossil betriebener Pkw. Dazu entfallen Parkgebühren, und Elektroautos dürfen Busspuren benutzen, sehr zum Ärger vieler Busfahrer. „Elektroautos erkennt man an ihrem Nummernschild: EL steht darauf, dahinter passt eine fünfstellige Zahl. Für das hunderttausendste Elektroauto müssen sich die Behörden etwas Neues ausdenken. Etwa 60.000 Elektroautos gibt es in Norwegen bereits und 7000 Ladestationen.4
Der Erfolg der Elektroautos führte bereits dazu, dass in Oslo im Berufsverkehr die Busspuren nur mit Elektroautos mit zwei Insassen benutzt werden dürfen. Die Förderung der Elektroautos ist nicht unumstritten. „Trotzdem hielt die Regierung an der Förderung fest: Im Mai beschloss sie, die Ausnahme von der Registrierungssteuer bis 2018 beizubehalten und dann schrittweise zu reduzieren. Mehrwertsteuer zahlen Käufer auf Elektroautos ab demselben Jahr. Norwegen fördert Elektroautos seit 1990. (…) 2012 setzte sich die Regierung das Ziel, die Emission von Neuwagen bis 2020 auf 85 Gramm CO2 pro Kilometer zu senken – das sind zehn Gramm weniger, als in der EU dann erlaubt sind.“4
Vor der IAA 2015 (1): elektrisches Tal. Den Elektroautos wird auf der IAA 2015 eine Halle eingeräumt: In den anderen neun stehen die Verbrenner. „Das ist die triste Wirklichkeit der Elektromobilität. Vor fünf Jahren zum Zukunftsthema schlechthin ausgerufen, fristet das E-Auto nach wie vor ein kümmerliches Dasein. Deutschland will Leitmarkt sein, doch die Hersteller setzen weiter vor allem auf Verbrennungsmotoren, so wie auch die meisten ihrer Kunden.“5
Vor der IAA 2015 (2): Porsche hat eine Mission. Das erste Elektroauto von Porsche soll „Mission E“ heißen und eine Antwort auf den Erfolg von Tesla sein. Mission E hat Allradantrieb und 600 PS und braucht von null auf 100 km/h 3,5 Sekunden. „Entscheidend ist bei einem Elektroauto aber natürlich die Reichweite. Auf 500 Kilometer soll es der Porsche bringen und demnach wäre er durchaus konkurrenzfähig zu Teslas Model S. 80 Prozent der Batterie sind nach Angaben des Automobilherstellers bereits nach einer Viertelstunde geladen.“6
IAA 2015: Elektrisches PS-Protzen. Kleine Elektroautos sind passé: Gefeiert werden Porsches Mission E (siehe oben) oder der Audi e-tron. Audi-Technik-Chef Ulrich Hackenberg: „Fahrspaß ohne Verzicht – wir bringen den Audi e-tron quattro mit allen Funktionalitäten eines SUV.“7 Der e-tron ist 490 cm lang und 204 cm breit und wiegt etwa 2,5 Tonnen. Die Akkus mit 100 kWh wiegen über 500 kg.7
Nachtrag zu Ulrich Hackenberg: „Aufgrund des VW-Abgasskandals ist Hackenberg im September 2015 beurlaubt worden. In den Befragungen der VW-Konzernrevision wurden Vorwürfe gegen ihn als damaligen Entwicklungschef erhoben, und am 3. Dezember 2015 schied er aus dem Audi-Vorstand aus“ (Wikipedia). – Nachtrag zu Wolfgang Hatz: „Hatz wurde am 28. September 2017 im Zuge der Ermittlungen zur VW-Abgasaffäre in München verhaftet. Er sitzt wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. (…) Hatz reichte nach über sechsmonatiger Haft Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Am 26. Juni 2018 wurde er gegen eine Kaution in Höhe von drei Millionen Euro freigelassen.“ (Wikipedia).
Bosch kauft „Wunderbatterie“. Der größte Autozulieferkonzern der Welt hat das kalifornische Start-up Seeo gekauft, das eine neuartige Batterie entwickelt haben soll, die bei gleichem Gewicht die doppelte Energiemenge speichern kann. „In den Lithium-Ionen-Akkus heutiger Elektroautos schwappt eine leicht entflammbare Flüssigkeit. Die Lithium-Ionen darin transportieren Ladungen vom Plus- zum Minuspol. Der Akku der Firma Seeo kommt ohne diese Flüssigkeit aus, in ihm steckt stattdessen eine hauchdünne Schicht aus Kunststoff, die Strom leitet. Sie macht den Stromspeicher sicherer – und Seeo kann einen der Pole aus Lithiummetall fertigen, das empfindlich auf Batterieflüssigkeit reagiert, aber mehr Energie speichern kann als das bisher übliche Graphit.“8 Diese Festkörperbatterien arbeiten im Maximalbereich bei 60 bis 80 Grad Celsius. Bisher waren die Ladezeiten deutlich höher als bei Lithium-Ionen-Akkus. Bosch vertraut nun darauf, dass Seeo dies gelöst hat – oder Bosch dies lösen wird.8
Grüne fordern Kaufprämien für Elektroautos. Bekanntlich hat die Bundesregierung 2010 das Ziel erklärt, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen. Und bekanntlich wird dieses Ziel immer unrealistischer. „Die Zulassungszahlen sind noch nicht einmal sechsstellig. Problem sind vor allem die hohen Anschaffungskosten und die geringe Reichweite. Die Grünen fordern deshalb staatliche Kaufprämien.“9
Auf beheizten Sonnenstraßen. Ein amerikanisches Ehepaar hat ein Patent angemeldet, bei dem Solarzellen als Straßenoberfläche dienen und Strom erzeugen. Das US-Verkehrsministerium genehmigte eine Anschubfinanzierung von 100.000 Dollar und später 750.000 Dollar für einen Prototyp. Ein SZ-Reporter traf sich mit dem Ehepaar Brusaw. „Zur Begrüßung legt Scott Brusaw eine Glaswabe auf den Tisch, ein schwerer Brocken. ‚Das ist superhartes Material, wie Panzerglas‘, sagt der Ingenieur, damit die am häufigsten gestellte Frage erst gar nicht aufkommt: Wie sollen Solar-Highways den Schwerverkehr überstehen? Auch müsse man keine Angst vor rutschigen Fahrbahnen haben, denn Heizelemente sorgten dafür, dass Schnee und Eis schmelzen. Und wenn die Sonne mal nicht scheint? ‚Dann holen wir uns den Strom aus dem Netz‘, kontert der Ingenieur.“10
Privileg „E“. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellte am 27.9.2015 in einer Pressemitteilung das neue Autokennzeichen für Elektroautos mit einem E am Ende vor. „Wer ein Elektroauto fährt, kann wegen des E ab sofort im Straßenverkehr erkannt werden und bestimmte Privilegien nutzen. Er kann etwa in Innenstädten kostenfrei parken oder dort die Busspur benutzen – allerdings nur, wenn die Kommune vor Ort auch die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Die neuen Nummernschilder und die damit verbundenen Privilegien gehen auf das Elektromobilitätsgesetz zurück, das im Juni in Kraft getreten ist. Dazu zählt auch die Befreiung von der Kfz-Steuer.“11
München schießt zu. München stockt die Subventionen für gewerbliche Elektroautos noch einmal auf. Zunächst sollte ab 2016 der Betrag von 2500 Euro für E-Pkws und 4000 Euro für kleine Lieferwagen und E-Taxis bewilligt werden. „Die neue Umweltreferentin Stephanie Jacobs plant nun, diese Summen auf bis zu 5500 Euro je Auto anzuheben. So soll es künftig 4000 Euro Grundförderung pro Fahrzeug geben. Zudem will Jacobs 1000 Euro zusätzlich zahlen, wenn der Gewerbetreibende dafür ein Auto mit herkömmlichem Antrieb abschafft. Weitere 500 Euro will sie geben, sofern der Stromer mit Ökostrom betankt wird.“12
Die Stadt München will 2016 und 2017 zusammen 22,2 Millionen für die elektrischen Gewerbefahrzeuge bereitstellen: Das Interesse ist dennoch gering. Eine der wenigen Münchner Organisationen, die von diesem Angebot Gebrauch machen will, ist die Arbeiterwohlfahrt, die ab 2016 sukzessive den Fuhrpark mit acht Fahrzeugen auf Elektroantrieb umbauen will. „‚Für uns ist das E-Auto noch kein Thema‘, sagt Klaus Honigschnabel von der Inneren Mission. Gerhard Bieber von den Johannitern erklärt: ‚In den Bereichen, in denen bei uns die meisten Kilometer zurückgelegt werden, hält der Markt für Elektrofahrzeuge noch keine tauglichen Modelle bereit.‘ Das seien vor allem Rettungswagen und Autos für den Patiententransport. Auch die Caritas hat geprüft, ob sich eine Umrüstung ihrer 450 Autos umfassenden Flotte im ambulanten Pflegedienst lohnt. Das Ergebnis: ‚Verglichen mit dem Anschaffungspreis eines E-Autos ist der Zuschuss der Stadt zu gering‘, sagt eine Sprecherin.“13
Auch Paketdienstleister wie die Deutsche Post oder UPS könnten Subventionen erhalten, auch wenn ihr Formensitz nicht in München ist. „Jedes Flottenfahrzeug, das sie fördern lassen wollen, muss zumindest in München gemeldet sein.“13
MVV-Elektrobusse. Der Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur des Münchner Stadtrates beschloss, dass 15 MVV-Regionalbuslinien vom Dresdner Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktur (IVI) im Hinblick auf die Tauglichkeit für Elektrobusse überprüft werden sollen. Dazu soll der MVV Kostenprognosen für sechs Hybridbuslinien darstellen. Der Sachverständige des IVI, Thoralf Knote, vertrat die Meinung, dass die Kraftstoffpreise für Diesel steigen dürften und die Batterietechnik Fortschritte mache. „Probleme bei der Umsetzung gebe es vor allem im Winter und Sommer, weil Heizung beziehungsweise Klimaanlage ebenfalls per Strom betrieben werden müssten. ‚Und das bekommen wir zumindest bei Vollklimatisierung nicht hin‘, so Knote. (…) Wegen der fehlenden Fahrleitungen sind laut Thoralf Knote Trolleybusse derzeit kein Thema. (…) Der Aufwand für die vermutlich zwischen 2018 und 2023 in Betrieb gehenden Elektrobuslinien ist enorm: So kostet die Anschaffung eines Batteriebusses 480.000 Euro, mehr als doppelt so viel wie ein mit Diesel betriebener Bus.“14
BMW-Elektro-Lkw. BMW hat mit seinem Logistik-Dienstleister Scherm einen Elektro-Lkw in Betrieb genommen, der zwischen einem Lager im Münchner Norden und dem Stammwerk in Milbertshofen acht Mal am Tag die drei Kilometer lange Strecke pendelt. Es soll auch getestet werde, ob sich Abgase und Lärm reduzieren lassen. Der E-Truck des niederländischen Produzenten Terberg kann 40 Tonnen transportieren; die Reichweite soll bei 100 Kilometer liegen. „Vor allem die schweren Batterien sind das Problem: Man könnte zwar einen Lkw mit so vielen Akkus vollstopfen, dass er auch lange Strecken absolviert. Nur bleibt dann kaum mehr Nutzlast übrig für die Ladung. (…) Ganz abgesehen davon, dass die Stromer teurer sind als Lkw mit herkömmlichem Antrieb. Die Leute von Scherm zum Beispiel haben gut 250.000 Euro für ihren E-Truck gezahlt, ein Diesel-40-Tonner steht mit 100.000 Euro in der Liste. Dennoch lassen sie den Stromer nun laufen.“15
- Fromm, Thomas, Google gibt Gas, in SZ 12.9.2015 [↩] [↩]
- Harloff, Thomas, Apples Geheimnis, in SZ 23.9.2015 [↩]
- Wüst, Christian, Im Stromstau, in Der Spiegel 38/12.9.2015 [↩]
- Bigalke, Silke, Unter Strom, in SZ 12.9.2015 [↩] [↩]
- Bauchmüller, Michael, Das „E“ von einst, in SZ 14.9.2015 [↩]
- Ein Tesla von Porsche, in sueddeutsche.de 15.9.2015 [↩]
- Becker, Joachim, Warten auf das Batterie-Wunder, in SZ 19.9.2015 [↩] [↩]
- Gast, Robert, Geballte Ladung, in SZ 16.9.2015 [↩] [↩]
- DPA, Saft für E-Autos, in SZ 26.9.2015 [↩]
- Przybilla, Steve, Von zweien, die auszogen, eine Straße zu bauen, in SZ 26.9.2015 [↩]
- Ein Nummernschild für gewisse Vorzüge, in SZ 28.9.2015 [↩]
- Höhere Zuschüsse für Elektroautos, in SZ 29.9.2015 [↩]
- Völklein, Marco, Stromabnehmer gesucht, in SZ 29.9.2015 [↩] [↩]
- Galler, Stefan, Eine echte Alternative, in SZ 30.9.2015 [↩]
- Völklein, Marco, Experiment im laufenden Betrieb, in SZ 30.9.2015 [↩]